Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

10. Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre. 197

Eine besondere Art von Kräften muß am Rande der plastischen Kontinentalschollen auftreten, wenn diese durch eine Inlandeisdecke belastet sind. Wenn man einen plastischen Kuchen belastet, so wird er in dem Bestreben, seine Mächtigkeit zu verringern und sich horizontal auszudehnen, randliche radiale Risse bekommen. Dies ist die Erklärung für die Fjordbildung, welche in überraschender Gleichförmigkeit an allen ehemals vereisten Küsten (Skandinavien, Grönland, Labrador, pazifische Küste von Nordamerika nördlich 48° und von Südamerika südlich 42°, sowie Neuseeland-Südinsel) vorhanden ist und bereits von Gregory [185] in einer umfangreichen, noch viel zu wenig gewürdigten Untersuchung auf Bruchbildung zurückgeführt ist. Die heute noch immer viel vertretene Deutung als Erosionstäler halte ich, auch nach eigenen Beobachtungen in Grönland und Norwegen, für unrichtig. :

An den atlantischen Kontinentalrändern ist man durch gehäufte Lotungen auf eine eigenartige Erscheinung aufmerksam geworden, welche sich als untermeerische Fortsetzung von Flußtälern zu erkennen gibt. So setzt sich das Tal des Lorenzstromes noch im vorgelagerten Schelf bis zur Tiefsee fort, desgleichen das des Hudson (bis 1450 m Tiefe verfolgbar), und auf europäischer Seite ist Ähnliches der Fall vor der Mündung des Tajo und namentlich bei der „Fosse de Cap Breton", 17 km nördlich der Mündung des Adour. Die schönste derartige Erscheinung ist aber wohl die Kongorinne im Südatlantik (bis 2000 m verfolgbar). Nach der üblichen Deutung sollen diese Rinnen ertrunkene Erosionstäler sein, die über Wasser entstanden. Dies erscheint mir jedoch in hohem Maße unwahrscheinlich, einmal wegen des großen Betrages der Senkung, zweitens wegen der allgemeinen Verbreitung (bei genügend zahlreichen Lotungen wird man sie vermutlich an allen Kontinentalrändern finden) und drittens, weil nur eine bestimmte Auswahl von Flußmündungen die Erscheinung zeigt, während dazwischenliegende Mündungen sie nicht zeigen. Ich halte es für wahrscheinlicher, daß es sich auch hier um Spalten im Kontinentalrand handelt, die von den Flüssen benutzt werden. Beim Lorenzstrom ist diese Spaltennatur seines Bettes ohnehin geologisch erwiesen, bei der Fosse de Cap Breton, welche das innerste Ende der buchförmig sich öffnenden Tiefseespalte der Biskaya darstellt, nach ihrer ganzen Lage plausibel.

Die interessanteste Erscheinung des Kontinentalrandes bilden aber die Inselgirlanden, die namentlich an der ostasiatischen Küste ausgebildet sind (Abb. 51). Betrachten wir ihre Verteilung im Pazifik,


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003