Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

10. Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre. 195

mehreren Stellen durchschneiden sie junge basaltische Laven, einmal auch pliozäne Süßwasserbildungen. Jedenfalls können sie also nicht vor Schluß der Tertiärzeit entstanden sein. Andererseits scheinen sie zur Diluvialzeit schon vorhanden gewesen zu sein, wie man aus den Strandterrassen als Marken höheren Wasserstandes bei den abflußlosen, auf der Grabensohle liegenden Seen geschlossen hat. Beim Tanganikasee deutet auch seine offenbar früher marine, dann aber dem Süßwasser angepaßte sogenannte Reliktenfauna auf längeren Bestand. Die häufigen Erdbeben und der starke Vulkanismus der Bruchzone deuten aber wohl darauf hin, daß der Trennungsprozeß jedenfalls auch heute noch im Gange ist.

Für die mechanische Deutung solcher Grabenbrüche ergibt sich nur insofern etwas Neues, als diese die Vorstufe einer völligen Trennung der beiden Schollenteile darstellen, wobei es sich um rezente, noch nicht beendete Abspaltungen oder auch um frühere Versuche einer solchen handeln kann, die infolge Erlahmens der Zugkräfte wieder zur Ruhe gekommen sind. Eine vollständige Trennung würde sich nach unseren Vorstellungen etwa folgendermaßen vollziehen. Zunächst wird nur in den oberen, spröderen Schichten ein klaffender Riß entstehen, während die unteren plastischen sich ziehen. Da vertikale Steilwände von der hier in Betracht kommenden Höhe viel zu große Anforderungen an die Druckfestigkeit der Gesteine stellen würden, so bilden sich gleichzeitig mit der Spalte oder auch an Stelle von ihr schräge Rutschflächen aus, längs welchen die Randpartien der beiden Schollenteile unter zahlreichen lokalen Erdbeben in demselben Tempo in die Spalte absinken, wie diese sich öffnet, so daß immer nur ein Grabenbruch mäßiger Tiefe in Erscheinung tritt, dessen Boden aus verworfenen Schollen derselben Gesteinsserien besteht, die auch seitwärts des Grabens auf der Höhe anstehen. In diesem Stadium ist der Grabenbruch noch nicht isostatisch kompensiert, wie es denn auch nach E. Kohlschütter [184] bei einem großen Teile der jungen ostafrikanischen Gräben der Fall ist. Es ist ja ein unkompensiertes Massendefizit vorhanden; daher wird eine entsprechende Schwerestörung beobachtet, und außerdem steigen beide Spaltenränder zum isostatischen Ausgleich empor, so daß der Eindruck entsteht, als gehe der Graben in der Längsrichtung durch eine Aufwölbung hindurch. Schwarzwald und Vogesen beiderseits des oberrheinischen Grabenbruchs sind bekannte Beispiele für diesen Randwulst. Reißt endlich die Spalte so tief, daß unter ihr nur noch die plastischeren unteren Schichten des Sials liegen, so

13*


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003