Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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194 10. Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre.

um dann nach Nordwesten zu drehen und sich zu verlieren. Dafür beginnt dicht neben ihm und parallel zu ihm der Graben des Tanga-nikasees, von dessen Großartigkeit der Umstand zeugt, daß die Tiefe des Sees 1700 bis 2700 m, die Höhe des mauerförmigen Steilabfalles aber 2000 bis 2400, ja selbst 3000 m beträgt. In seiner nördlichen Fortsetzung enthält dieser Graben den Russisifluß, den Kiwu-, Albert-Edward- und den Albertsee. „Die Ränder der Senkung erscheinen aufgewulstet, wie wenn hier das Bersten der Erde mit einer gewissen Aufwärtsbewegung der plötzlich frei gewordenen Bruchränder verbunden gewesen wäre. Mit dieser eigentümlichen wulstigen Form der Plateauränder hängt es wohl auch zusammen, daß unmittelbar östlich vom Abfall des Tanganika die Nilquellen entspringen, während sich der See selbst zum Kongo entleert." Ein dritter markanter Graben beginnt östlich des Viktoriasees, enthält weiter nördlich den Rudolfsee und biegt bei Abessinien nach Nordosten ab, wo er sich einerseits in das Rote Meer und andererseits in den .Golf von Aden fortsetzt. Im Küstengebiet und im Innern von ehemals Deutsch-Ostafrika nehmen diese Brüche meist die Form von Bruchstufen an, deren Ostseite abgesunken ist.

Von besonderem Interesse ist das in Abb. 50 ebenso wie die Grabensohle punktiert gezeichnete große Dreieck im Winkel zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel (zwischen Ankober, Berbera und Massaua). Dies relativ flache und niedrige Land besteht ganz aus jungen vulkanischen Laven. Die meisten Autoren halten es für eine riesige Verbreiterung des Spaltenbodens. Diese Auffassung wird besonders durch den Verlauf der beiderseitigen Küsten im Roten Meere nahegelegt, deren im übrigen genaue Parallelität durch diesen Vorsprung gestört wird; schneidet man ihn fort, so paßt die gegenüberliegende Ecke Arabiens genau in den Ausschnitt hinein. Es wurde schon erwähnt, daß es sich hier offenbar um Sialmassen von der Unterseite des Abessinischen Gebirges handelt, die sich einseitig nach Nordosten ausgebreitet haben und dabei am Schollenrande aufgetaucht sind. Vielleicht war die Spalte schon mit Basalt erfüllt, so daß die emporsteigenden Sialmassen eine Haube aus diesem Material mit hochtrugen. Die große Erhebung über das Tiefseeniveau deutet jedenfalls auf die Anwesenheit sialischer Massen unter der Lavadecke, falls das Gebiet nicht etwa einen bedeutenden Schwereüberschuß aufweist.

Die Entstehung dieser in Ostafrika selbst maschenförmig angeordneten Brüche ist in geologisch junge Zeiten zu setzen. An


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003