Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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9. Die verschiebenden Kräfte.

Abb. 45.

Ferner möchte ich erwähnen, daß auch M. Möller [205] im Jahre 1922 eine von ihm schon 1920 gefundene Ableitung der Polfluchtkraft veröffentlicht hat.

Wahrscheinlich läßt sich diese Literaturübersicht noch vermehren; ich habe nur angeführt, was mir zufällig zur Kenntnis gekommen ist.

Nehmen wir also mit Wavre und Berner an, daß die Polfluchtkraft etwa 1/800000 des Gewichts der Kontinentalschollen beträgt, so ist immerhin zu beachten, daß dies etwa 15 mal so viel wie die horizontalen Flutkräfte ausmacht; und während letztere

ihre Richtung fortwährend ändern, wirkt die Polfluchtkraft Jahrtausend auf Jahrtausend in unveränderter Richtung und Stärke weiter. Dies ist es, was sie befähigt, die stählerne Zähigkeit des Erdkörpers im Laufe geologischer Zeiten zu überwinden.

Lely hat vor kurzem einen interessanten Versuch zur Demonstration der Polfluchtkraft gemacht [206]. Ich habe ihn gemeinsam mit J. Letzmann wiederholt, und wir fanden, daß er sich ausgezeichnet als Vorlesungsversuch eignet. Auf einen Rotationsschemel wird, recht genau zentriert, ein zylindrisches Wassergefäß gebracht, dessen Spiegel, wenn dasWasser gleichmäßig mitrotiert, eine paraboloidische Krümmung zeigt (Abb. 45 a). Nun wird ein Schwimmkörper auf diese Wasseroberfläche gesetzt, der aus einem flachen Kork mit in der Mitte eingestecktem Nagel besteht (Abb. 45 b). Der Nagel muß möglichst lang sein, doch soll der Kork mit nach oben gerichtetem Nagel, ohne umzufallen, noch schwimmen können. Dieser Schwimmkörper wird nun zuerst mit dem Nagel nach oben und dann mit dem Nagel nach unten auf die Oberfläche des rotierenden Wassers gesetzt. Weist der Nagel nach oben, so sieht man den Schwimmer bald zur Mitte wandern; dagegen wandert er zum Rande, wenn der Nagel nach unten gerichtet ist. Wenn man den Schwimmer mehrmals nacheinander in umgedrehter Stellung auf das Wasser setzt, wobei er jedesmal seine Bewegungsrichtung ändert, so wirkt der Versuch sehr überzeugend.

Lelys Versuch

zur Erläuterung der

Polfluchtkraft.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003