Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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174 9. Die verschiebenden Kräfte.

den Körpers (das ist der Kontinentalscholle) höher liegt als der Schwerpunkt der verdrängten Flüssigkeitsmasse. Hieraus geht hervor, daß der schwimmende Körper der Wirkung zweier in verschiedener Richtung wirkender Kräfte unterworfen ist, deren Resultante vom Pol nach dem Äquator gerichtet ist. Bei den Kontinenten würde also eine Neigung vorherrschen, sich nach dem Äquator hin zu bewegen, welche Bewegung eine säkulare Änderung der Breite hervorrufen würde, wie dieselbe für die Sternwarte in Pulkowo vermutet wird."

Ohne diesen kurzen und versteckten Hinweis zu kennen, hat W. Koppen [200] die Natur der Polfluchtkraft und ihre Bedeutung

für die Frage der Kontinent-Verschiebungen erkannt und,

wenn auch ohne Rechnung, eine Beschreibung von ihr gegeben: „Die Abplattung der

Niveauflächen nimmt also mit der Tiefe ab; sie sind einander nicht parallel, sondern ein wenig gegeneinander geneigt, außer am

Zwei Niveauflächen und die Äquator und an den Polen, wo gebogene Lotlinie. sie alle rechtwinklig zum Erd-

radius sind. Die Abb. 44 zeigt

dies an einem Meridianschnitt zwischen Pol (P) und Äquator (A). Die gestrichelte, nach dem Pol zu konkave Linie ist die Kraftlinie der Schwere bzw. Lotlinie des Ortes 0. C ist der Erdmittelpunkt." „Nun liegt ja der Angriffspunkt des Auftriebes eines schwimmenden Körpers im Schwerpunkt des verdrängten Mediums, der seines Gewichts dagegen in seinem eigenen Schwerpunkt, und die Richtung beider Kräfte ist rechtwinklig zur Niveaufläche des betreffenden Punktes; ihre Richtungen sind also nicht entgegengesetzt, sondern geben eine kleine Resultierende, die, wenn der Auftriebspunkt unter dem Schwerpunkt liegt, zum Äquator gerichtet ist. Beide Kräfte sind, da auch der Schwerpunkt der Scholle weit unter der Oberfläche der Scholle liegt, nicht senkrecht zum Horizont ihrer Oberfläche, sondern etwas in dieser Richtung geneigt, der Auftrieb aber mehr als das Gewicht der Scholle. Diese Sätze müssen für jeden Schwimmkörper gelten, dessen Schwerpunkt über dem Auftriebspunkt liegt, und ebenso müssen die Kräfte eine Resultierende zum Pol hin haben, wenn dessen Schwerpunkt unter dem Auftriebs-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003