Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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154 8. Grundsätzliches über Kontinentverschiebungen usw.

den betrachteten beiden Zeitpunkten Kontinentverschiebungen eingetreten, so können wir zwar auch auf den beiden rekonstruierten Erdkarten, die mit Berücksichtigung der Kontinentverschiebung entworfen sind, auf Grund der Klimazeugen die Pollagen für beide Zeitpunkte finden, aber es entsteht die eigentümliche Schwierigkeit, daß wir nicht wissen, wie zur Zeit 2 die „unveränderte", d. h. mit der Zeit l übereinstimmende Pollage anzusetzen ist, von der aus wir Betrag und Richtung der Polwanderung zu rechnen hätten.

Man könnte hier etwa folgendermaßen verfahren: Denkt man sich das Gradnetz zur Zeit l auf die damalige Erdoberfläche fest

Abb. 38.

Wanderung des Südpols seit der Kreide; links bezogen auf Südamerika, rechts bezogen auf Afrika.

eingraviert, so wird es zur Zeit 2 infolge der Kontinentverschiebungen deformiert erscheinen. Suchen wir nun dasjenige nicht deformierte Gradnetz, das sich dem deformierten möglichst eng anschmiegt1), so stellen dessen Pole die „unveränderten" Pole für die Zeit 2 dar, und der Vergleich mit den wirklichen, aus den fossilen Klimazeugen abgeleiteten Polen zur Zeit 2 ergibt dann den Betrag der Polwanderung zwischen l und 2.

Dies wäre die absolute oberflächliche Polwanderung. Wegen der genannten Schwierigkeit ist noch kein Versuch zu ihrer Be-

l) Auf die mathematische Bedingung hierfür brauchen wir hier nicht einzugehen.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003