Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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82 5. Geologische Argumente.

unten von ihrer Verbindung mit den tieferen Regionen abgeschnitten und nach oben heraufgepreßt wurde und so die großen Basaltüberschwemmungen schuf. Daß dies gerade im Tertiär stattfand, erscheint besonders plausibel; denn durch die tertiäre Westwanderung Südamerikas mußte auch auf Nordamerika ein Drehungsmoment übertragen werden, welches sich, solange die Verankerung durch die von Irland nach Neufundland hinüberreichenden Ketten hielt, nördlich davon in einer Zusammenpressung äußern mußte.

Es sei in diesem Zusammenhang auch ganz kurz der mittelatlantischen Bodenschwelle gedacht1). Die Auffassung von H äug, welcher den ganzen Atlantik als eine riesige „Geosynklinale" und die mittelatlantische Schwelle als den Beginn der Faltung dieser Geosynklinale betrachten will, ist heute wohl allgemein als unzureichend erkannt. Wir verweisen hier nur auf Andrees Kritik [16]. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei dieser Schwelle jedenfalls um Abfallprodukte bei der Trennung der Schollen. Man kann hierbei annehmen, daß statt einer einheitlichen Spalte ein netzartiges Geflecht von Spalten entstand, also ein Trümmerstreifen, dessen Teile, weil ihre Unterlage sich auszog und verflachte, größtenteils unter den Meeresspiegel versanken. Da, wo die heutigen Ränder nicht mehr gut zueinander passen, mag diese Zertrümmerungszone von beträchtlicher Breite gewesen sein.

So wurde oben erwähnt, daß das Gebiet der Azoren einem Zertrümmerungsstreifen entspricht, der ursprünglich schätzungsweise über 1000 km breit gewesen sein mag. Dies ist freilich ein Ausnahmefall, an den meisten Stellen ist die mittelatlantische Schwelle viel schmaler. Aus der von du Toit gegebenen Abb. 18 würde man, bei Berücksichtigung der heutigen Randschelfe, nur auf einen Zertrümmerungsstreifen von einigen hundert Kilometern schließen, stellenweise mag er noch schmaler gewesen sein; damit stimmt der Umstand, daß die Schollenränder hier noch heute auffallend kongruent sind, wenn man von einigen Störungen, wie die Abrolhosbank oder den Vorsprung an der Nigermündung, absieht. Unsere Rekonstruktionskarten Abb. 4 und 5 sind insofern schematisch, als sie auf diesen schwer abzuschätzenden Zertrümmerungsstreifen vielleicht nicht genügend Rücksicht nehmen. Aber ob es jemals gelingen wird, die Rekonstruktion in solchen Details exakt durchzuführen, muß wohl einst-

*) Vgl. die Karte des Atlantischen Ozeans in Schott, Geographie des Atlantischen Ozeans. 2. Aufl. Hamburg 1926.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003