Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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5. Geologische Argumente. 81

Karte von Nordwestgrönland von Lauge-Koch [85] erkennen, wenn man die Grenze zwischen Devon und Silur sucht, welche in Grinnell-Land auf 80° 10', in Grönland auf 81° 30' liegt. Auch die von diesem Autor entdeckte kaledonische Faltung, die sich von Grönland nach Grinnell-Land hinüberzieht, läßt dieselbe Verschiebung erkennen.

In aller Kürze seien hier noch einige Andeutungen gemacht, in welcher Weise bei der Rekonstruktion der präatlantischen Kontinentalverbindungen vorgegangen wurde. Eine ausführlichere Besprechung der hierbei berücksichtigten Erscheinungen, wie Plastizität der Sialschollen, Schmelzung von unten u. a., wird zwar später noch gegeben werden. Allein es ist auch schon bei der geologischen Vergleichung der Spaltenränder notwendig, einiges hiervon zu erwähnen, um Mißverständnissen vorzubeugen.

In Nordamerika zeigt unsere Rekonstruktion eine Abweichung von der heutigen Karte insofern, als Labrador stark nach Nordwesten gedrückt erscheint. Es wurde angenommen, daß der starke Zug, der schließlich zum Abreißen Neufundlands von Irland führte, vor dem Abriß eine Dehnung und oberflächliche Zerreißung der beiderseitigen Schollenteile bewirkte. Auf der amerikanischen Seite wurde nicht nur die neufundländische Scholle (einschließlich der Neufundlandbank) herausgebrochen und um etwa 30° gedreht, sondern ganz Labrador sackte bei dieser Gelegenheit nach Südosten, so daß der vorher geradlinige Grabenbruch St. Lorenzstrom—Belle-Islestraße seine jetzige S-förmige Biegung erhielt. Auch die Flachmeere der Hudsonbai und der Nordsee dürften bei dieser Zerrung entstanden oder vergrößert sein. Der Neufundlandschelf erfährt also eine zweifache Korrektion der Lage, nämlich eine Drehung und eine Verschiebung nach Nordwest, und paßt sich dadurch der Schelflinie bei Neu-Schottland besser an, über die er gegenwärtig weit hinausragt.

Island wird zwischen einer Doppelspalte gelegen angenommen, worauf die heutige Tiefenkarte seiner Umgebung hinzudeuten scheint. Vielleicht entstand hier zuerst zwischen dem grönländischen und dem norwegischen Gneismassiv eine Spalte (Grabenbruch), die sich dann teilweise mit geschmolzenen Sialmassen von der Unterseite der Schollen anfüllte. Da die Spalte aber im übrigen, wie heute das Rote Meer, mit Sima gefüllt war, so konnte eine erneute Zusammenpressung der Schollen die Wirkung haben, daß diese Simafüllung


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003