Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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74 5. Geologische Argumente.

vollkommene geologische Übereinstimmung der beiden Kontinente bisher kaum zu erwarten gewagt hatte.

Wie schon früher gezeigt wurde, muß aus paläontologischen und biologischen Gründen geschlossen werden, daß der Formenaustausch zwischen den Landgebieten Südamerikas und Afrikas in der unteren bis mittleren Kreide erlosch. Damit steht nicht im Widerspruch, wenn Passarge [79] annimmt, daß die Randbrüche von Südafrika schon im Jura gebildet wurden, denn die Spalte öffnete sich nur allmählich von Süden her, und vor allem ging ihr wohl die Bildung von Grabenbrüchen längere Zeit voraus.

In Patagonien hatte der Abriß eine eigentümliche Schollenbewegung zur Folge, die A. Windhausen [80] folgendermaßen beschreibt: „Die neue Umwälzung begann mit regionalen Bewegungen größten Ausmaßes um die Mitte der Kreide", und zwar indem sich die patagonische Landoberfläche „aus einem Gebiet mit ausgesprochener Abdachung zu einem allgemeinen Senkungsfeld umwandelte, das unter dem Einfluß arider oder semiarider Bedingungen stand und von Kieswüsten und Sandebenen bedeckt war."

Gehen wir in der Vergleichung der gegenüberliegenden Küsten des Atlantik nach Norden weiter, so findet das am Nordrand des afrikanischen Kontinents gelegene Atlasgebirge, dessen Faltung hauptsächlich ins Oligozän fällt, aber schon in der Kreide begann, auf amerikanischer Seite keine Fortsetzung1). Dies stimmt mit unserer, in den Rekonstruktionen dargestellten Annahme überein, daß die atlantische Spalte in diesem Teile schon länger offen war. Es ist zwar möglich, daß sie auch hier irgend einmal ganz geschlossen gewesen ist, aber die Öffnung muß hier wohl schon vor dem Karbon erfolgt sein. Auch die große Meerestiefe im westlichen Teile des Nordatlantik läßt sich vielleicht dahin deuten, daß hier der Meeresboden bereits älter ist. Zu beachten ist auch die Gegensätzlichkeit der spanischen Halbinsel mit der gegenüberliegenden amerikanischen Küste, die einen ehemaligen unmittelbaren Zusammenschluß der Küsten sehr unwahrscheinlich macht. Aber ein solcher darf auch nach der Verschiebungstheorie nicht angenommen werden. Denn

*) Gentil (neuerdings auch Staub in [214]) möchte zwar in den gleichaltrigen mittelamerikanischen Gebirgen, speziell den Antillen, eine solche Fortsetzung sehen, doch hat Jaworski dem entgegengehalten, daß dies mit der allgemein angenommenen Auffassung von E. Suess unvereinbar ist, welcher den östlichen Kordillerenbogen Südamerikas in die Kleinen Antillen übergehen und also wieder nach Westen umbiegen läßt, ohne daß dabei Ausläufer nach Osten entsendet werden.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003