Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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72 5. Geologische Argumente.

Von besonderem Interesse ist ein ganz neues Moment in den geologischen Beziehungen der beiden Kontinente, auf welches du Toit zum ersten Male aufmerksam macht. Auf S. 109 sagt er:

„Von allergrößter Wichtigkeit ist aber der Beweis, den das Studium der Faziesunterschiede innerhalb der einzelnen Formationen liefert, wenn diese innerhalb der Kontinente untersucht werden.

Betrachten wir zur Erläuterung den Fall von zwei äquivalenten Formationen, deren eine in Südamerika an oder nahe bei der atlantischen Küste bei A beginnt und nach Westen bis A' reicht, während die andere in Afrika ähnlich nahe der Küste bei B beginnt und nach Osten bis B' reicht. Dann läßt sich in mehr als einem solchen Falle nachweisen, daß die Faziesänderung zwischen A und A' oder zwischen B und B' größer ist als die zwischen A und B, obwohl die ganze Breite des Atlantik zwischen A und B liegt. Mit anderen Worten, diese einzelnen Formationen haben an den gegenüberliegenden Küsten die Tendenz, gleichartiger zu sein als innerhalb einer oder auch ihrer beiden heutigen sichtbaren Erstreckungen in den betreffenden Kontinenten. Mit der Vervielfältigung solcher Beispiele, die sich aus mehr als einer geologischen Epoche anführen lassen, kann eine solche eigentümliche Beziehung nicht mehr als rein zufällig betrachtet werden, und folglich muß eine bestimmte Erklärung dafür gesucht werden. Eine genauere Untersuchung zeigt ferner, daß diese unerwartete Tendenz gleich stark hervortritt, ob nun die betreffenden Formationen marine, Delta-, kontinentale, glaziale, äolische oder vulkanische sind."

Du Toit gibt in seinem Buche die in Abb. 18 wiedergegebene Karte, welche die gegenseitige Lage der beiden Kontinente vor der Trennung zeigt. Du Toit hebt hervor, daß man bei der Rekonstruktion immerhin einen Zwischenraum von mindestens 400 bis 800 km zwischen den heutigen Küsten lassen müsse, wenn man den an ihnen zu beobachtenden Faziesunterschieden Rechnung tragen will. Ich kann ihm in diesem Punkte nur völlig zustimmen. Denn zwischen beiden Küsten muß ja nicht nur Platz für den vorgelagerten Schelf, sondern außerdem vielleicht auch noch für das Material der mittelatlantischen Bodenschwelle bleiben. Eine genauere Angabe der gegenseitigen Lage der Schollen wird vielleicht möglich werden, wenn die zahlreichen Echolotungen der „Meteor"-Expedition ausgewertet und bearbeitet sein werden. Ich vermute, daß sich auf solchem Wege ein ähnliches Bild ergeben wird, wie das von du Toit auf Grund der geologischen Vergleichung gefundene.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003