Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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62 5. Geologische Argumente.

Linienführung der Schollenränder eine durchaus zwangsläufige ist und keinen Spielraum für eine Anpassung an diese Forderung zuläßt, haben wir es hier mit einem ganz unabhängigen Kriterium zu tun, das für die Beurteilung der Richtigkeit der Verschiebungstheorie von größter Bedeutung ist.

Die atlantische Spalte ist am breitesten im Süden, wo sie zuerst aufriß. Ihre Breite beträgt hier 6220 km. Zwischen Kap San Roque und Kamerun liegen nur noch 4880, zwischen der Neufundlandsbank und dem britischen Schelf nur noch 2410, zwischen Scoresbysund und Hammerfest 1300, und zwischen den Schelfrändern von Nordostgrönland und Spitzbergen wohl nur noch etwa 200 bis 300 km. Hier scheint der Abriß erst in allerjüngster Zeit erfolgt zu sein.

Beginnen wir mit der Vergleichung im Süden. Ganz im Süden Afrikas findet sich ein von Ost nach West streichendes permisches Faltengebirge (die Zwarten Berge). In der Rekonstruktion trifft die Verlängerung dieser Kette nach Westen auf die nach der Karte zunächst durch nichts hervorgehobene Partie südlich von Buenos Aires. Es ist nun hochinteressant, daß Keidel [72, 73] in den hier befindlichen Sierren, namentlich der stärker gefalteten südlichen, alte Faltungen erkannt hat, die nach ihrem Bau, der Gesteinsfolge und dem Fossilinhalt nicht allein der nordwestlich davon sich der Andenfaltung anschmiegenden Vorkordillere der Provinzen San Juan und Mendoza, sondern vor allem auch dem südafrikanischen Kapgebirge völlig gleichen. „In den Sierren der Provinz Buenos Aires, besonders in dem südlichen Zuge, finden wir eine Schichtenfolge, die der in den Kapgebirgen Südafrikas sehr ähnlich ist. Große Übereinstimmung scheint wenigstens bei drei Gliedern vorhanden zu sein: bei dem unteren Sandstein der unterdevonischen Transgression, den fossilführenden Schiefern, die den Höhepunkt ihrer Ausbreitung bezeichnen, und bei einem jüngeren, sehr kennzeichnenden Gebilde, dem glazialen Konglomerat des oberen Paläozoikums. . . Sowohl die Sedimente der devonischen Transgression als auch das glaziale Konglomerat sind, wie in den Kapgebirgen, stark gefaltet; und die Bewegung ist hier wie dort in der Hauptsache gegen Norden gerichtet." Damit ist der Nachweis geführt, daß hier eine langgestreckte alte Faltung vorhanden ist, welche die Südspitze Afrikas durchzieht und sodann Südamerika südlich von Buenos Aires durchquert, um schließlich, nach Norden abbiegend, sich dem Verlauf der Anden anzugliedern. Heute sind die Bruchstücke dieser Faltung durch eine Tiefsee von mehr als 6000 km Breite voneinander getrennt.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003