Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ausflug nach Dardjiling. 545

von Schuppentieren in Empfang nehmen, die Herr Dr. I. M. Janse, einer der Abteilungsvorstände des botanischen Gartens, freundlichst für mich gesammelt hatte.

In Singapore verweilte ich zwei Tage. Ich bewunderte die Schönheit der inselreichen Straße von Malakka, besuchte den ausgezeichneten botanischen Garten, der auch eine Sammlung von lebenden malayischen Tieren enthält, und ergötzte mich an dem bunten Völker- und Rassengewirr, das diese merkwürdige und häufig beschriebene Hafenstadt auszeichnet. Mit dem kleinen, aber trefflichen Dampfer Catherine Apcar fuhr ich dann nach Penang und von dort quer durch den Meerbusen von Bengalen nach Kalkutta.

Es war Ende März, und die Hitze, die um diese Zeit hier in Vorderindien herrschte, war fürchterlich. Kenner hatten mir entschieden abgeraten, im April eine Reise quer durch Indien zu unternehmen, weil dieser Monat nächst dem Mai für manche Teile Indiens die größte Hitze bringt. Ein Vergnügen, sagten sie, würde es jedenfalls nicht sein, und eine Erholung nach einer zweijährigen Tropenreise noch weniger: -- Sollte ich aber darauf verzichten, das mitzunehmen, was direkt an meinem Wege lag, und dessen Besuch mir vielleicht nie wieder in meinem Leben vergönnt sein würde? Ich wußte sicher, daß ich es später immer bedauern würde, eine so wunderbare Gelegenheit verpaßt zu haben, und so wagte ich mich denn in den großen Bratofen, der zu dieser Zeit weit heißer ist, als eine der von mir besuchten äquatorialen Gegenden.

Vorher wollte ich mir aber erst noch einmal kühle Hochalpenluft um das Haupt wehen lassen und dafür war ich hier an die rechte Stelle gekommen. Sind doch die Vorberge des höchsten Gebirges der Erde, des Himalaya, von Kalkutta in 24 Stunden zu erreichen, und gehört der Blick von dort auf die nahen Bergriesen zum schönsten und erhabensten, was die Erde an Alpenfernsichten darbietet.

Mörderisch war die Hitze in der Stadt und noch mehr im Eisenbahnwagen, als ich um halb 4 Uhr Nachmittag Kalkutta verließ, um den Ausflug nach Dardjiling in Britisch-Sikkim zu machen. Abends wurde es angenehmer, und als wir in der sternhellen Nacht in einer Dampffähre über den stillen Ganges fuhren und auf derselben unsere Abendmahlzeit einnahmen, vermochte man wieder frei aufzuatmen. Als wir weiterfuhren, schien es, als ob unser Weg an einer großen Stadt vorüberführte, deren Lichter dicht gedrängt aus einem weiten Umkreis zu uns herüberleuchteten. Die Stadt wollte aber nicht enden, und zudem schienen es Blinkfeuer zu sein, die periodisch


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003