Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

546

Von Ambon nach Banda. Heimreise durch Indien.

aufblitzten und wieder erloschen. Es waren Tausende und Abertausende großer, hellstrahlender Leuchtkäfer, die ihren nächtlichen Brautflug vollführten.

Die nun folgende Eisenbahnfahrt war angenehm. Die Eisenbahneinrichtungen in Indien sind ausgezeichnet; für die Nacht erhält ein jeder Passagier in der ersten Klasse, die allgemein von den Europäern benutzt wird, einen breiten und langen Sitz, auf dem er sich bequem ausstrecken kann. Kopfkissen, ein Betttuch und Decken führt jeder in seinem Handgepäck mit sich und läßt sich von seinem Diener für die Nacht ein bequemes Lager bereiten. Dieses System wäre auch für Nachtreisen in Europa sehr zu empfehlen, und ist billiger und angenehmer, als das der teuren und oft wenig behaglichen Schlafwagen. Fast alle Europäer nehmen auf Reisen einen oder mehrere einheimische Diener mit sich, die ihren Herrn auch im Hotel zu bedienen haben. Bei der Kürze meines Aufenthaltes in Indien glaubte ich hierauf verzichten zu dürfen und hatte in Kalkutta nicht geringe Mühe, mich der Diener zu erwehren, die mir ihre Dienste anboten. Allerdings bedurfte es in den Gasthöfen oft erst eines energischen Auftretens, bis sich die Hotelleute dazu verstanden, mein Zimmer in Ordnung zu bringen und mir bei Tisch die Speisen aufzutragen.

Am Morgen um 8 Uhr kamen wir in Siliguri an, das am Fuße der Berge gelegen ist. Hier verläßt man die Eisenbahn, und ein Schmalspurbahn, vor welche eine kleine, aber starke Berglokomotive gespannt ist, führt den Reisenden in die Höhe. Die schmalen Wagen sind an den Seiten offen, oben mit einem Verdeck versehen; jeder besitzt drei Vorder- und drei Rücksitze. In flottem Tempo führt diese, wie mir schien, etwas leicht gebaute »Himalaya-Bahn« die steilen Höhen hinan. Die brütend heiße Temperatur, die schon um 8 Uhr morgens in der Ebene lagert, macht einer frischeren Luft Platz, je höher man kommt und je weiter man in die Berge eindringt. Auch die Vegetation ändert sich, Palmen und Bambus verschwinden, die Berghänge sind mit Teepflanzungen bedeckt; noch höher begrüße ich alte, lange nicht gesehene Bekannte, Kastanien, Eichen und Birken, Cedern, Tannen und Fichten. Auch das Aussehen der Bevölkerung hat sich mit einem Schlage geändert, statt der Indier, die trotz ihrer dunklen Haut doch in Gestalt und Physiognomie ihre nahe Verwandtschaft mit uns Europäern erkennen lassen und die vielfach sogar an Adel der Form und Gesichtsbildung den europäischen Typus übertreffen, finden wir hier in den Bergen einen plump gebauten, häßlichen, dabei recht schmutzigen Menschenschlag von ausgesprochen


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003