Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Höhlenbildungen im Korallenfels. 537

Als ich die kolossalen Mengen von kleineren und größeren Höhlen in den Riffen von Ambon sah, leuchtete mir die Richtigkeit dieser Anschauung im hohen Grade ein. Es wäre nun aber denkbar, daß diese kleinen Höhlen am Strande und an den Abhängen der Riffterrassen blos durch die Brandung herausgenagt werden, und wenn die Form der Erosion, die sich in solchen Bildungen äußert, auch auf eine verschiedenartige Festigkeit des Gesteins schließen ließe, zu deren Erklärung wir ebenfalls auf die Art des Wachstums des Riffs zurückgehen müssten, so würde doch das Auffinden größerer Höhlen, die sicher nicht durch die Brandung aus dem Felsen herausgenagt sind, den Beweis viel zwingender machen. Vergebens suchte ich selbst nach solchen tiefern Höhlen im fossilen Fels, war aber fest überzeugt, daß es so etwas auf Ambon geben müsse, und siehe da, durch eifriges Herumfragen erfuhr ich denn auch, daß das Gewünschte sowohl auf Leïtimor als auch im Nordosten auf Hitu an verschiedenen Stellen zu finden wäre.

Die schönste und bedeutendste dieser Höhlen befindet sich im Südosten der Stadt Ambon, etwa zwölf Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Sie wird Liang Ikan, die Fischhöhle, genannt und befindet sich nahe der Quelle des Flüßchens Batu Gantong, der bei Wainitu ins Meer fällt. Zunächst folgt der Weg der Straße, die über das Gebirge hinüber nach der Südküste von Le'itimor führt, dann geht es auf schmalem Pfade durch schönen Wald und dichte Pflanzungen zur Höhle. Dieselbe liegt etwa 120 Meter über dem Meere. Die Felsen, die ihr breites Eingangstor übermauern, sind mit einer reichen Vegetationsdecke überzogen. Zunächst steigt man etwa 15 Schritte weit schräg in die Tiefe hinab, dann kommt man in einen horizontal verlaufenden gewölbten Gang mit nahezu parallelen Wänden und einer gewölbten Decke, deren Höhe zwischen 10 und 15 Metern schwankt. So geht es über einen Kilometer weit fort, der Boden ist natürlich nicht absolut horizontal, aber die Niveauschwankungen sind nur gering. Hin und wieder entsendet die Höhle schmale Seitenausläufer. Der Hauptgang hat einige Knickungen und Biegungen, allmählich verengert er sich und wird sowohl niedriger als schmäler. Von den Wänden hängen Tropfsteinbildungen herab; überall, wo das Wasser den Felsen nicht allzusehr verändert hat, ist die Korallenstruktur noch recht deutlich. Am Ende der Höhle soll sich eine Art Tümpel oder Teich befinden; ob derselbe Fische enthält, und sich hieraus der Name Liang Ikan erklärt, vermochten mir meine Begleiter nicht anzugeben. Das Ende der Höhle war überhaupt zur Zeit meines Besuchs infolge der großen Feuchtigkeit unzugänglich.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003