Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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536 Von Ambon nach Banda. Heimreise durch Indien.

tels sind, denn dieser müßte dann selbst eine Dicke von mehreren Kilometern besitzen.

Ich fasse diese Bildungen vielmehr so auf, daß ich annehme, die Korallen bauten in einer stationären Periode horizontal ins Meer hinaus. Dauerte die Periode lange und war die betreffende Stelle für das Wachstum des Riffs günstig, so entstanden kilometerbreite Flächen. Zu andern Zeiten und an weniger günstigen Stellen entstanden bloß schmale Streifen. Die Stufen, die wir finden, sind demnach im wesentlichen Auflagerungsflächen und sind nicht durch Denudation aus einem ehemals soliden Mantel herausgemeißelt. Natürlich mag hie und da die Brandung mit geholfen haben, zu der Auflagerungs-fläche, durch Denudation der ansteigenden Küste, innen noch ein Stück hinzuzufügen; doch dürfen wir dieses Moment nicht überschätzen. Denn ein Strandriff hat zwar an seinem Außenrande eine gehörige Brandung; für die Küste selbst ist es aber ein vorzüglicher Wellenbrecher, und schwerlich wird die Brandung über ein breiteres Strandriff hinüber das Relief der Küste wesentlich beeinflussen.

Eine fast ebenso auffallende Erscheinung wie die terrassenförmige Stufung der gehobenen Riffe ist der Reichtum an größern und kleinern Höhlenbildungen, den man in allen Horizonten des fossilen Riffs antrifft. Bei Batu mera, ebenso an der Südküste von Leïtimor, sieht man kleine Höhlen im Kalkfelsen direkt über dem Niveau des Meeres. An der Ostküste von Hitu fand ich sie bei Suli und Tengga-tengga massenhaft in allen möglichen Höhen. Das Dorf Liang, malayisch Höhle, an der Nordostküste von Hitu trägt sicherlich seinen Namen von derartigen Höhlenbildungen. Auch an dem Südwestzipfel von Leïtimor fand ich eine kleine Höhlenbildung in etwa hundert Meter über dem Meere. Ich hatte gerade zu dieser Zeit eine interessante Arbeit von Johannes Walther: Die Adamsbrücke und die Korallenriffe der Palkstraße gelesen, in welcher dieser Forscher auf Grund seiner Studien der lebenden und fossilen Riffe am Roten Meer und bei Ceylon zu dem Resultat gelangt, erstens daß sich im lebenden Riff durch die Art und Weise des Korallenwachstums weitausgedehnte Lücken bilden, welche nie durch Kalksand ausgefüllt werden und als submarine Riffhöhlen persistieren; und zweitens, daß sich diese Höhlen in jungfossilen Riffen wiederfinden. Er spricht dann ferner noch die Vermutung aus, daß manche fossile Höhlen in Kalkgebirgen des Festlandes ursprüngliche Sedimentlücken sind, die den Lücken im wachsenden Korallenriff entsprechen und bei deren Entstehung die Auswaschung durch rinnendes Wasser nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003