Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Einwirkung des Tropenklimas auf den Körper. 513

gleichgiltiger, aß wenig und mußte mich sehr bezwingen, daß ich mir nicht nach Art der meisten dort lebenden Europäer eine längere Siesta zur Mittagszeit gönnte. Dieser Zustand befällt wohl jeden, der längere Zeit in den Tropen zu leben und zu arbeiten hat. Der Körper des Europäers leistet dort auf die Dauer nicht dasselbe wie in seiner kühleren Heimat.

Herr Dr. Treub, der so viele Jahre in dem heißen Java gelebt und energisch gearbeitet hat, sagte mir, daß man dort auf das sorgsamste mit seinen Kräften haushalten müsse, wenn man leistungsfähig bleiben wolle. Eine mäßige körperliche Leistung sei nützlich, und es sei zur Erhaltung der Frische notwendig, ein gewisses Pensum täglich zu erledigen. Dagegen müsse man jede überflüssige Aufregung und Sorge, »susah«, wie die Malayen es nennen, vermeiden. Anfangs habe er sich oft abgehastet, habe sich gesorgt und geärgert. Jetzt sage er sich: das ist »susah«, und schaffe durch Ruhe und Stetigkeit ebensoviel wie früher, als er Impulsen leichter nachgab.

Für den Reisenden, der sich immerfort unter neuen Verhältnissen bewegt, ist es oft unmöglich, sich die »susah« fern zu halten, und nach und nach tritt eine nervöse Abspannung ein. Bei mir war das Schlimmste, daß ich allmählich ganz und gar den Appetit verlor und außer einigen scharf gewürzten Reisspeisen am Mittag und Abend nur noch Früchte essen mochte. In letzteren aber schwelgte ich, und einige derselben gewährten mir Genüsse, wie keine andern Speisen sie je zuvor meinem Gaumen gewährt hatten. Als ich im November nach Java kam, war mir auf den Märkten häufig ein eigenartiger, höchst unangenehmer Bisamgeruch aufgefallen, der zugleich etwas an Zwiebeln erinnerte, dabei aber auch die Vorstellung des Fauligen, in Zersetzung begriffenen hervorrief. Ich entdeckte, daß dieser Geruch von großen ovalen Früchten ausging, größer als Kokosnüsse, von grüner Farbe und über und über mit starken spitzigen Stacheln bedeckt. Diese schweren Früchte wachsen auf riesigen Waldbäumen und sie können, wenn sie zur Reifezeit herabfallen, den unten wandelnden Menschen mit ihren spitzen Stacheln schwere Verletzungen zufügen. Der Baum, Durio zibethinus, malayisch Durfan, ist in seinem Vorkommen auf den malayischen Archipel beschränkt, und die Eingeborenen essen das weiche cremeartige Fleisch, welches im Innern der Frucht die Kerne umgibt, leidenschaftlich gern. Der Geruch ist aber für denjenigen, der nicht von Jugend auf an denselben gewöhnt ist, so widerwärtig, daß nur wenige Weiße, die als Erwachsene nach Indien kommen, den Abscheu überwinden. Es ist verpönt, diese Frucht ins Hotel zu bringen und auf dem eigenen Zimmer zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003