Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Die Insel Ambon.

Tropen die Stachelhäuter viel stärker geschützt finden als im Mittelmeer und in der Nordsee, ist nicht wunderbar. Ist doch die Zahl, Größe und Stärke ihrer Feinde in den warmen Meeren eine viel größere als in den kälteren Zonen. Das tropische Meer gleicht in dieser Hinsicht dem tropischen Lande. Die Energie des Lebens, die Größe, Schönheit, Wehrhaftigkeit und Giftigkeit der Geschöpfe ist gesteigert. Die Fülle der Anpassungen ist größer, Angriffs- und Verteidigungswaffen sind stärker.

Ging ich am sandigen Strande vor meinem Hause spazieren, so sah ich zur Ebbezeit oft, daß der vom Wasser entblößte Sandboden nicht glatt, sodern von Millionen kleiner sternförmiger Sandhäufchen bedeckt war. Im Zentrum jedes Häufchens führt ein kleiner Gang in die Tiefe und dient einer kleinen Krabbe, Myctiris longicarpus, zur Wohnung. Wenn die Flut den Strand bedeckt, hält sie sich in der Tiefe; sobald aber der Strand trocken wird, kommt sie empor, stößt den Sand über ihrem Loche heraus und zerkaut ihn, Nahrung suchend, zu kleinen Partikelchen. Indem tausende und abertausende von kleinen Krebschen diesem Geschäft nachgehen, gewinnt der glatte Strand das Aussehen, als sei er künstlich fein nach allen Richtungen zerharkt. Auch große fünfstrahlige Sternfiguren bemerkt man oft in dem eben trocken werdenden Sande. Sie rühren von dem Seestern Astropecten her, der sich während der Ebbe vergräbt und oben den Abdruck seiner Körperform zurückläßt.

Das Fischen in der Bai von Ambon gewährte mir täglich eine Fülle neuer Beobachtungen und brachte mir immer neues, schönes Material. Gewöhnlich begab ich mich morgens bald nach Sonnenaufgang im Boot nach den Korallenriffen nördlich von Ambon oder ich fischte am Strande von Hitu oder dredgte in der Mitte der Bai. Zwischen 10 und 11 Uhr kehrte ich dann zurück und machte mich an die Konservierung der erbeuteten Schätze; um 1 Uhr war Reistafel. Nachmittags begab ich mich anfangs gewöhnlich noch einmal aufs Meer, später aber benutzte ich diese Zeit lieber zu Landausflügen, weil in der kolossalen Nachmittagshitze die Ausbeute an zarten Geschöpfen gewöhnlich verdarb, wenn man länger draußen blieb. Was man um 2 Uhr gefangen hatte, war oft schon unbrauchbar, wenn man um 5 Uhr zurückkehrte.

Überhaupt begann jetzt am Ende meiner Reise meine körperliche Leistungsfähigkeit nachzulassen. Ich war zwar nach wie vor gesund, aber die körperlichen Strapazen und die geistige Anspannung, denen ich nun schon beinahe zwei Jahre lang in tropischen Klimaten ausgesetzt gewesen war, machten sich geltend. Ich wurde schlaffer und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003