Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Wanderungen der grundbewohnenden Seetiere. 509

sobald ihre Laichzeit herannaht, sich aus der Tiefe in das flache Wasser nahe der Küste begeben.

In Ambon fahndete ich noch auf eine andere Tiergruppe, deren nähere Untersuchung zoologisch von großem Interesse sein würde. Es sind dies eigentümliche, prachtvoll gefärbte Seeigel, mit ihrem wissenschaftlichen Namen Echinothuriden, die ihre Platten durch ein besonderes Muskelsystem gegeneinander verschieben können und deren Stacheln einen besonderen Giftapparat enthalten.

So eifrig ich nun auch nach diesem auffälligen Tiere suchte, und so sehr ich meine Augen anstrengte, wenn wir über die klare Flut dahinglitten, konnte ich doch kein einziges Exemplar finden. Da fiel mir ein, es könnte sich vielleicht mit diesem Seeigel ebenso verhalten, wie mit dem Seestern in Helgoland und mit Nautilus. Ich beschrieb deshalb Udin das Tier so genau als möglich, betonte die Weichheit und Beweglichkeit seines Körpers, seine Buntheit und ungemeine Giftigkeit. Ratjun heißt auf malayisch giftig und lombot weich. Udin machte sofort ein verständnisinniges Gesicht und sagte mir, ja, ich hätte Recht, der Ratjun lombot zeige sich ebenfalls nur während des Südostpassats bei Ambon. Ich gab ihm den Auftrag, mir mit den nachzusendenden Nautilus auch eine größere Anzahl von »ratjun lombot«-Seeigeln mitzuschicken, und richtig, in der Sendung, die mir später zukam, und die die Ausbeute seiner Fischerei während des nächsten Südostpassats enthielt, befanden sich zahlreiche Asthenosomen, welche von Prof. L. Döderlein als Asthenosoma varium bestimmt worden sind. Auch in diesem Falle kommt wohl zweifellos der Seeigel zum Laichen an die Küste, denn die mir gesandten Exemplare waren sämtlich geschlechtsreif, und wir haben hier drei sichere Fälle von periodischen Wanderungen grundbewohnender Seetiere.

So viel mir bekannt ist, sind derartige Wanderungen bei grundbewohnenden Seetieren noch nicht oder doch nur äußerst selten beobachtet worden. Für den Hummer wird angegeben, daß er sich zum Laichen in seichteres Wasser begebe. Von einer eigentlichen Wanderung kann man aber bei ihm nicht wohl reden. Dagegen wissen wir, daß schwimmende Seetiere, Coelenteraten und andere pelagische wirbellose Tiere sowohl wie Fische ausgedehnte Flächen-und Tiefenwanderungen unternehmen. Oberflächenfische wie die Makrelen sammeln sich zum Laichen in Scharen an der Küste. Die für gewöhnlich in den tieferen Wasserschichten bis zu etwa 120 Faden lebenden Dorsche steigen auf und nähern sich der Küste soweit, als es ihnen die jeweiligen Verhältnisse der Seewasserzusammensetzung


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003