Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein sonderbares Paar.

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niedrig stehenden Tieren, wie die Quallen es sind. Dieselben besitzen zwar ein Nervensystem und außer anderen Sinnesorganen auch sehr einfach gebaute, lichtempfindende Organe; aber ihre ganze Organisation ist noch zu niedrig, um sich einer derartigen Verfolgung in zweckmäßiger Weise zu entziehen. Endlich gelang es mir, das Tier zu fangen und herauszuschöpfen, und nun sah ich, was sein eigentümliches Verhalten veranlaßt hatte. Innerhalb des gewölbten Schirms der Meduse schwamm ein mittelgroßes 12 cm langes Fischchen umher und suchte, als ich es nebst seiner Meduse in einen Eimer gesetzt hatte, die Gefährtin unablässig durch Stöße gegen die Innenseite des Schirmes in einer gewissen Richtung fortzutreiben. Natürlich waren alle seine Anstrengungen vergeblich, die Meduse aus dem engen Behältnis, in dem es ihm höchst ungemütlich war, herauszu-bugsieren, aber stundenlang setzte es seine Anstrengungen fort und veranlaßte den unglücklichen Gallertschirm zu krampfhaftem Herumschwimmen. Später fing ich noch zweimal dieselbe Medusenart in Begleitung desselben Fisches, Caranx auratus. Aus diesen Beobachtungen können wir schließen, daß Fisch und Meduse miteinander in einer Art Gesellschaftsverhältnis, Symbiose oder Commensalismus leben. Der Fisch zieht den Vorteil davon, daß die gewaltigen Nesselbatterien der Meduse ihn vor vielen Verfolgern schützen. Ob auch die Meduse von der Anwesenheit des Fisches, den sie mit ihren Waffen jedenfalls nicht schädigt, einen Vorteil zieht, ist fraglich. Den Verfolgungen wissensdurstiger Zoologen wird eine so mit einem Wirbeltier verbundene Meduse freilich leichter entgehen als eine mehr einsiedlerisch lebende. Sollte dies aber der einzige Feind sein, vor dessen Verfolgungen die Meduse durch die Anwesenheit des Fisches geschützt wird, so dürfte er bei der bisherigen Seltenheit der Zoologen doch zu geringfügig sein, um Selectionswert zu besitzen.

Einen anderen interessanten Fall von Zusammenleben zweier verschiedener Tierformen beobachtete ich einige Male in der Nähe des Strandes von Ambon im Flachwasser von drei bis vier Fuß Tiefe. Dort sieht man häufig einen prachtvollen großen Seeigel, Diadema setosum, der durch seine schöne Färbung und seine außerordentlich langen und spitzen, mit feinen Widerhäkchen versehenen Stacheln auffällt. Nun wissen wir, daß diese Seeigel komplizierte Sehorgane besitzen, und man kann sich leicht davon überzeugen, daß sie dieselben auch brauchen; denn wenn man versucht, die Tiere anzugreifen, richten sie ihre Stacheln in die Gegend, aus welcher sich die bedrohende Hand naht. Ich sah nun wiederholt diese Seeigel von Scharen junger Fische umschwärmt Um zu sehen, was das zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003