Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Verwischung der Korallenstruktur durch die tierischen Bewohner der Riffe. 503

gepaßt haben. Aber wie das Leben im Korallenfels die Organisation der Bewohner desselben in vielen Punkten beeinflußt, ebenso wirken die letzteren wiederum durch ihre Gegenwart auf ihre steinerne Umgebung. Indem die hartschaligen Krebschen, stacheligen Seeigel und Schlangensterne fort und fort in den engen Höhlungen und Buchten auf- und abkriechen, schleifen sie allmählich das zarte Oberflächenrelief mehr und mehr ab. Vielfach habe ich gesehen, daß die eigentliche Korallenstruktur, die Struktur der strahligen Kelche schon bei den Blöcken, die den Baugrund der noch lebenden und weiterwachsenden Korallen bilden, gänzlich verwischt ist. Allmählich füllen sich die Höhlungen mit den Schalen abgestorbener Riff bewohner. Viele Würmer und Holothurien gewinnen ihre Nahrung dadurch, daß sie ungeheure Mengen von Sand verschlingen und die den einzelnen Partikeln aufsitzenden kleinen und kleinsten Geschöpfe verdauen, während der Sand selbst unverändert ausgeschieden wird. Durch diese Tiere werden große Mengen von Sand und kleinem Trümmermaterial in die Höhlungen des Korallenfelsens verschleppt, und zuweilen sind Teile eines Riffs, ehe sie noch durch Hebung des Bodens oder Sinken des Wasserspiegels aus dem Wasser gehoben und der atmosphärischen Verwitterung ausgesetzt werden, so verändert, daß nur die löchrige Struktur, nicht aber der feinere Bau die ursprüngliche Korallennatur aufweist. Daneben mag auch noch die auflösende Wirkung eines an Kohlensäure reichen Seewassers eine bedeutende Rolle spielen. Auch die Brandung, die fort und fort an der äußeren Böschung der Riffe nagt und schleift, hat an dem Undeutlichwerden der Korallenstruktur einen erheblichen Anteil, aber sie betrifft mehr die äußerste Zone. Die von mir hervorgehobenen Agentien arbeiten vorwiegend an dem geschützten, dem Lande zugekehrten Innengürtel des Riffs und betreffen weniger die Schicht lebender Korallen als die poröse Korallengrundlage, auf der die letzteren fußen.

Korallenriffe in einem ganz oder nahezu stationären Gebiet werden viel mehr diesen Einflüssen ausgesetzt sein als solche in einem Senkungsgebiet. Die letzteren werden der, ich möchte sagen, Abnutzung viel rascher entzogen worden, weil sie bald durch das unaufhaltsam fortschreitende Wachstum der Korallen von neuen Schichten bedeckt, unter denselben begraben werden.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß, während in manchen Gegenden Ablagerungen mit sehr gut erhaltenen Riffkorallen existieren, anderswo die Korallenstruktur verwischt, ja geradezu verschwunden ist, und nur indirekt die Natur einer Ablagerung als das Produkt riffbildender Korallen erkannt werden kann. Ein klassisches


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003