Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Farbenschmuck der Korallenfische. 501

eigentümlicher Farbenverteilung geht weit über das erforderliche Maß der Schreckfarben hinaus. Auch sind diese Fische schon dadurch hinreichend geschützt, daß sie sich vor größeren Raubfischen in das stachlige Dickicht der Korallenäste zurückziehen können. An geschlechtliche Zuchtwahl ist ebenfalls nicht wohl zu denken bei Geschöpfen, bei denen keine innere Kopulation stattfindet, sondern die Eier vom Männchen im Moment der Ablage befruchtet werden.

Wie ist überhaupt die auffallende Buntheit so vieler anderer, besonders festsitzender Meerestiere zu erklären, bei denen geschlechtliche Zuchtwahl ganz ausgeschlossen ist? Was bedeuten die lebhaften Farben vieler Actinien und Alcyonarien, welchen Nutzen hat ein Seestern davon, intensiv blau, ein anderer, scharlachrot zu sein ? Auf diese Fragen müssen wir bis jetzt die Antwort schuldig bleiben und können nicht einmal eine Vermutung äußern, die einige Wahrscheinlichkeit für sich hätte. Mangelt es uns doch noch durchaus an einer intimeren Kenntnis der Biologie der niederen Seetiere, der niederen Tiere überhaupt, und wird ein tieferes Eindringen in dieses, bisher meist nur dilettantisch behandelte Gebiet noch eine reiche Ernte an neuen Erkenntnissen und Gesichtspunkten liefern1).

Wenn unser Boot langsam über die unterirdischen Gärten hinglitt, hielt ich mein Auge stets scharf auf die Tiefe gerichtet, und wo ich eine Seerose, eine Rindenkoralle oder einen Hydroidpolypen, eine Ascidie oder einen Stachelhäuter erblickte, der mir neu war, wurde Halt gemacht, und Udin oder einer der anderen Fischer tauchte hinunter und holte die Beute herauf. War es ein sehr stacheliges oder giftiges Geschöpf, so berührte er es nicht mit den Händen sondern schöpfte es in die halbierte Schale einer Kokosnuß und trug es so empor.

Wenn die Fischer auf See waren, entkleideten sie immer den ganzen Oberkörper und behielten nur die sackartige weite Hose an, die bis über die Kniee herabreicht und auf Ambon an Stelle des Sarongs getragen wird. Tauchten sie, so entkleideten sie sich ganz, und ich konnte dann deutlich an den ins Wasser hinabsinkenden oder aufsteigenden Gestalten erkennen, daß der Oberkörper, der täglich stundenlang direkt den glühenden Sonnenstrahlen exponiert wurde, viel dunkler war, als der Unterkörper. Wie man sieht, wirkt also der Sonnenbrand ebenso stark auf die Haut des braunen als des weißen Menschen; die Wirkung läßt sich nur unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht so leicht beobachten.

l) Das letzte Jahrzehnt hat auf diesem Gebiet einen bemerkenswerten Fortschritt gebracht, besonders durch die Arbeiten von J. Loeb und seiner Schüler.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003