Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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;QO Die Insel Ambon.

centriden. Zu Tausenden sieht man diese meist kleinen Fische im Gezweig der ästigen Korallen herumschwärmen. Sie nähren sich von Zoophyten und andern kleinen wirbellosen Tieren, und das Auftreten der meisten Arten ist streng an das Vorkommen von Korallenwäldern gebunden, in denen sie Schutz und Nahrung finden.

Obwohl die beiden Familien ganz verschiedenen Fischordnungen angehören, die Squamipennes den Stachelflossern, die Pomacentriden den Schlundkiefern oder Pharyngognathen, ähneln sie einander im äußeren Habitus oft außerordentlich, was nicht so wunderbar ist, wenn man bedenkt, daß ähnliche Existenzbedingungen nicht selten im Tierreich konvergente Formbildungen erzeugen; ich erinnere nur an die Ähnlichkeit solcher wühlender Geschöpfe wie der Coecilien, Grundschlangen und Blindschleichen oder diejenige der Beutelraubtiere und der placentalen Raubtiere. Die zusammengedrückte Körperform aller Korallenfische ist wohl sicherlich als eine Anpassung an das Schwimmen zwischen den Korallenästen aufzufassen. Die rüsselartige Verlängerung der Schnauze bei manchen Squamipennes dient dazu, die Beute aus schwer zugänglichen Löchern und Höhlen im Korallenfels herauszuziehen. Aber warum ist die Mehrzahl von ihnen so wunderbar bunt geschmückt und so schön gezeichnet, warum die Vertreter der Squamipennes und der Pomacentriden oft in überraschend ähnlicher Weise? Was bedeuten jene phantastisch verlängerten Flossenanhänge bei Heniochus und andern? Darwin hat uns die Entstehung der schützenden Färbung im Tierreich verstehen gelehrt. Auch manche bunten und auffallenden Farben bei giftigen oder schlechtschmeckenden Tieren können wir als Schreckfarben, die den Angreifer schon von ferne warnen, durch natürliche Zucht entstanden vorstellen. Die lebhaften Farben der Phanerogamenblüten sind ebenfalls durch natürliche Zuchtwahl herangezüchtet. Sie dienen dazu, die honigsuchenden Insekten herbeizulocken, deren Besuch für die Befruchtung der Blüten notwendig ist. Der herrliche Schmuck vieler Vögel ist sicherlich ein Produkt der geschlechtlichen Zuchtwahl, wie ich aus den schon früher (Seite 211) aufgezählten Gründen mit Darwin gegen Wallace annehme. Ob letztere Erklärung auch auf die Schmetterlinge und andre bunte Insekten auszudehnen ist, lasse ich dahingestellt.

Aber bei den Korallenfischen handelt es sich nicht um Schreckfarben, denn diese Fische sind nicht giftig oder in merklicher Weise schlecht schmeckend1), und ein solcher Reichtum an Zeichnung und

1 Der schöne Holacanthus imperator, der über einen Fuß lang wird, und herrlich blau und gelb gestreift ist, ist ein beliebter Tafelfisch im indischen Archipel.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003