Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein nächtlicher Streifzug durch Makassar. 483

ein mächtiges, sauber eingewickeltes Paket empor, meine Wäsche, die ich fast schon verloren gegeben hatte. Er habe sie eben an Schiff bringen wollen. »Aber das Schiff sollte ja schon vor zwei Stunden abgehen!« Darauf keine Antwort. Der Mann blickte ruhig, als ob ihn die ganze Sache nichts anginge, vor sich hin. Ich trat ganz nahe heran, blickte ihm scharf in die Augen und sagte auf Deutsch, weil mein Malayisch nicht auf der Höhe der Situation stand: »Du bist der durchtriebenste Halunke, der mir überhaupt vorgekommen ist. Das kannst Du doch selbst nicht leugnen?« Die holländischen Herren lachten, selbst über die Gesichter der beiden Malayen stahl sich ein Lächeln, nur der Tukang minatu blickte ruhig und unbefangen vor sich hin, aber in den Winkeln seiner verschmitzten Augen zeigte sich ein humoristisches Zwinkern. Ich legte meine Hand auf die Schulter des Ehrenmannes und schüttelte ihn einige Augenblicke sanft aber eindringlich. Dann eilten wir an Bord des Both, der sich eben zur Abfahrt rüstete.

Auf der Weiterfahrt berührten wir eine Anzahl Küstenorte von West-Celebes, Pare Pare an der gleichnamigen Bai, Dongala am Eingang der Palosbai, Toli-Toli und Kwandang, endlich Amurang, Menado und Kema an der Nordspitze der Insel, der sogenannten Minahassa. Wo es immer anging, begab ich mich an Land und sammelte Tiere, besonders Käfer, Tausendfüßler und Schmetterlinge, oder nahm Photographien der schönen Landschaft und der merkwürdigen Bevölkerung auf. Am meisten sah ich von dem vulkanischen Nordende der Insel, der schön kultivierten Minahassa, die stellenweise einem Garten gleicht. In Menado verlebte ich den Weihnachtsabend, den zweiten, den ich auf dieser Reise fern von der Heimat verbrachte. Im vorigen Jahre weilte ich um diese Zeit im australischen Busch. Unser Schiff hielt sich im ganzen zwei Tage in Menado auf, und da es von dort um die Nordspitze von Celebes herum nach Kema gehen mußte, hätte die Zeit genügt, um einen Ausflug nach dem berühmten See von Tondano und dem Wasserfall des aus ihm hervorströmenden gleichnamigen Flusses zu machen und das Schiff dann in Kema zu treffen. Da die Abfahrtszeit aber unsicher war, mußte ich darauf verzichten und mich mit kürzeren Ausflügen auf den munteren kleinen Timor-Ponies in die nähere Umgebung von Menado begnügen.

Die Bevölkerung der Minahassa unterscheidet sich ziemlich auffällig von der des südlichen Celebes, den Makassaren und Bugis. Die Hautfarbe ist erheblich heller und geht ins Gelbe über, die Statur ist gedrungener, die Physiognomie weniger ausgesprochen malayisch.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003