Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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482 Von Java um Celebes und die nördlichen Molukken nach Ambon.

wenn er ihn sähe. Ich sagte ihm, er solle doch in die Stadt gehen ihn zu suchen, und versprach ihm eine reichliche Belohnung. Er war aber nicht dazu zu bewegen, denn in den Quartieren der Eingeborenen, besonders in den chinesischen Kampongs der großen indischen Städte, ist es nachts mit der Sicherheit nicht besser bestellt als in den Hafenquartieren der europäischen großen Seestädte. Ich fragte also den Mann: »Willst du mitkommen, wenn ich mit dir gehe?« Er entschloß sich dazu nach kurzem Zögern, und nun erklärte sich auch mein Diener Ikin bereit, uns zu begleiten. Ich steckte meinen Revolver in die Tasche und wollte eben aufbrechen, als die beiden jungen Amtenaare auch Lust bekamen, sich dem Zuge anzuschließen.

So waren wir denn eine ganze Expedition, drei Europäer und zwei Eingeborene, die in der Nacht die Stadt Makassar auf der Suche nach der unterschlagenen Wäsche durchstreiften. Stundenlang zogen wir umher, jeder, dem wir begegneten, wurde angehalten und gefragt, wo in dieser Gegend ein Waschkünstler, ein »Tukang minatu« wohne. Mancher arme Kerl, der friedlich in seinem Hause bis in die Nacht hinein das Wäscherhandwerk trieb, verging beinahe vor Schreck, wenn wir in sein Haus drangen. Der malayische Junge stellte sich dann vor ihn hin, betrachtete ihn kritisch und sagte jedesmal: »Nein, er ist es nicht.« So ging es stundenlang durch die schweigenden, einsamen Kampongs. Ab und zu trafen wir auf ein paar einheimischer Nachtwächter. Diese veranlaßten wir jedesmal, uns zu begleiten, und ließen uns von ihnen die Häuser der Wäscher ihres Reviers zeigen. Das machte unsern Zug noch imposanter.

Es war längst 2 Uhr vorüber, wir hatten fast ganz Makassar durchstreift und es war höchste Zeit, an Bord zurückzukehren. Auf dem Rückweg mußten wir das vornehme europäische Quartier passieren, die Neustadt oder den Kampong baru, wo wir den Wäschedieb am wenigsten vermutet hatten. Unterwegs kamen wir an eine erleuchtete europäische Villa und fragten einen dort sitzenden holländischen Herrn, ob wohl hier in der Nähe ein Wäscher wohne. Er sagte ja, gleich daneben in einem engen Gäßchen wohnten zwei. »Gut, beschlossen wir, dann gehen wir noch zu den beiden und geben es dann auf.« Der erste war wieder nicht unser Mann; der zweite aber zeigte sich merkwürdig gleichgiltig bei unserm Eintritt. Er kam mir gleich bekannt vor, und richtig, mein Orakel sagte ohne weiteres, als er ihn einen Augenblick gemustert hatte: »Er ist es.« Darauf entspann sich eine kurze malayische Unterhaltung, und der Mann, ohne seinen Platz zu wechseln und eine Miene zu verziehen, langte neben sich und hob


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003