Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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468 Java.

javanischer Tiere betreffend, die mir schon in Buitenzorg aufgefallen war, trat mir hier von neuem entgegen. Beim Sammeln der Schuppentiere hatte ich bemerkt, daß die ausgewachsenen Weibchen zum Teil mit Jungen in allen möglichen Entwicklungsstadien trächtig waren; andre hatten kleinere oder größere Säuglinge bei sich, wieder andre waren völlig kinderlos. Dies war im Monat November. Ich sah nun im Laboratoriumsbuch von Buitenzorg nach und fand, daß ein andrer Zoologe, Dr. Strubell, Entwicklungsstadien von Manis javanica vom Januar bis April gesammelt hatte. Professor Weber scheint sein Material in den Sommermonaten erlangt zu haben, jedenfalls gibt er im Laboratoriumsbuch an, daß er Eier des fliegenden Geckos, Ptychozoon homalocephalum, vom Juli bis September erbeutet habe, während ich Eier derselben Art im November und März fand. Überhaupt fand ich in Java bei fast allen denjenigen Tierarten, deren Untersuchung durch besondere Häufigkeit erleichtert war, daß sich die Individuen derselben Art in Bezug auf ihre Fortpflanzungsverhältnisse in ganz verschiedenen Zuständen befanden, so bei verschiedenen Geckos und Skinken, bei der schöngrünen Agamide Calotes jubatus, die wie das Chamäleon einen sehr ausgeprägten Farbenwechsel besitzt und ihr Grün in ein fahles Schwarz zu verwandeln vermag, bei vielen Schlangen.

In Europa hingegen besitzen alle freilebenden Tiere ihre scharf umgrenzte Fortpflanzungszeit, deren Anfang und Ende bei den einzelnen Individuen nur innerhalb enger Grenzen schwankt. Dasselbe ist der Fall in der ganzen gemäßigten Zone der nördlichen Hemisphäre. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sehen wir, daß die Fortpflanzungszeit mit dem Wiedererwachen der Natur im Frühling beginnt, etwas zeitiger im südlichen Europa, etwas später im mittleren, noch später im nördlichen.

Die Brutperiode der einen Art beginnt früher, die der andern später, je nach den Lebensbedingungen, die für die junge Brut maßgebend sind. Manche schreiten sodann noch zu einer zweiten oder dritten Paarung; mit dem September ist aber für fast alle europäischen Tiere die Fortpflanzungszeit beendigt und eine längere Ruhepause tritt ein. Ganz ähnliche Verhältnisse beobachten wir auf der südlichen Hemisphäre, zum Beispiel in Australien, nur daß dort die Brunst in der Mehrzahl der Fälle mit dem Beginn des australischen Frühlings, also im Juli, August oder September anhebt. Diese ganze Einrichtung zielt darauf hin, daß die junge Brut dann geboren und dem Kampf ums Dasein ausgesetzt wird, wenn die Bedingungen zu ihrer Erhaltung am günstigsten sind, also dann, wenn die Pflanzen-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003