Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Europäische Pflanzen auf den javanischen Berggipfeln. 467

Pleistocänzeit sehr erhebliche Schwankungen des Klimas durchgemacht hat, und daß Mittel- und Nordeuropa in dieser Periode zeitweilig völlig vereist war. Diesen Glacialperioden sind wahrscheinlich Zeiten eines besonders heißen Klimas vorausgegangen, und andrerseits spricht vieles dafür, daß langsame Schwankungen des Klimas im Laufe der geologischen Epochen bald diese, bald jene Regionen des Erdballs betroffen haben. Nehmen wir nun an, daß zu irgend einer Zeit, während welcher Java mit Siam vereinigt war, das Klima dieses ganzen Erdstrichs ein erheblich niedrigeres gewesen ist als augenblicklich, so werden sich zu solchen Zeiten Pflanzen wie Brombeeren, Himbeeren und Erdbeeren, Veilchen, Maiglöckchen und Gaisblatt, Schachtelhalme, Eichen und Taxus über das ganze Land hin bis zum Meere hinab verbreitet haben. Als dann wiederum eine wärmere Periode eintrat, mußten jene Pflanzen die immer heißer werdenden Ebenen räumen, Schritt für Schritt zogen sie sich auf die Berge zurück, zunächst auf die unteren Regionen; als sich aber das Klima auch dieser zu stark erwärmte und gleichzeitig die Höhen eisfrei wurden, auf letztere. Inzwischen löste sich auch die Verbindung von Java mit dem Festland und so gelangten wir zu einem Zustand, den wir noch heute antreffen1).

Endlich erreichten wir den untern Rand des Kraterkegels. Hier hört alle Vegetation auf. Nach 20 Minuten Kletterns an der steilen, mit Geröll bedeckten Wand ist die tiefste Stelle des Kraterrandes erreicht. Am höchsten steigen seine südlichen Wände an und fallen fast senkrecht gegen den Kraterkessel ab. Aus Höhlen und Spalten des letztern qualmen stark nach Schwefel riechende Dämpfe empor. Ringsum eröffnet sich ein herrlicher Blick. Überall umgeben uns zerrissene Berge, kühne Spitzen, wallartige Ausschnitte vulkanischer Kessel. Über uns wölbt sich der Gipfel des Pangerango; er erreicht eine Höhe von 2935 Meter, während der Gedeh nur 2700 Meter hoch ist. In der Ferne erblickt man das grün schimmernde Flachland der »Smaragdinsel«, und fern bis zur Küste schweift der Blick.

Mittag waren wir wieder unten in Tjibodas, und ich dehnte meinen genußreichen und sozusagen beschaulichen Aufenthalt noch auf weitere vier Tage aus. Eine Sonderheit, die Fortpflanzung vieler

l) Wer sich näher für diese Frage interessiert, findet eine genauere Begründung dessen, was hier bloß skizziert worden ist, bei Darwin: »Entstehung der Arten«, im u. Kapitel, »Geologische Verbreitung. Die Zerstreuung während der Eisperiode«, und bei Wallace: »Die geographische Verbreitung der Tiere« und »Der malayische Archipel«.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003