Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein großartiges Landschaftsbild. 451

kühl, frisch, duftend, strömte uns entgegen; vom Himmel strahlten die Sterne im vollsten Glänze.

Die Nacht war hier, 265 Meter über dem Meere und in der Nähe der 2000 bis 3000 Meter hohen Gebirge, von erquickender Kühle. Ein wolkenloser tiefblauer Himmel begrüßte mich in der Frühe des nächsten Tages, und als ich dann auf die Veranda an der Hinterfront des Hotels hinaustrat, lag in der Morgenfrische ein Landschaftsbild vor mir, so märchenhaft schön, so tropisch eigenartig und taufrisch zugleich, wie ich es kaum je wieder gesehen habe. Den Hintergrund bildet ein mächtig aufgebauter, ganz von dichter Waldvegetation umzogener Vulkan, der Salak, dessen Wände in sanft geschwungenen Linien nach rechts und links abfallen, während sein Gipfel in eine fünfzackige Krone ausgezogen erscheint. Gerade auf uns zu strömt ein wasserreicher, rasch fließender Gebirgsfluß, der Tjidani, der zusammen mit dem Tjiliwong das Städtchen Buitenzorg oder Bogor umschließt. Rechts und links blicken wir auf ein dichtes Blätterdach hinab. Es scheint ein Urwald zu sein, ist aber in Wirklichkeit nichts andres als eine dicht gedrängte Menge von Anpflanzungen: Kokospalmen, Fruchtbäume aller Art, Bananenhaine, dazwischen mächtige Bambusgebüsche, die die Ufer des Flusses umsäumen und mit ihren zierlichen, zartbefiederten Wedeln die Uferränder beschatten. Schaut man schärfer hin, so sieht man allenthalben die Hütten der Eingeborenen eingestreut, leichte Bambusbauten, die mit Palmblättern bedeckt sind und auf niedrigen Pfählen stehen. Die Bewohner Javas, die Malayen überhaupt, stehen zwar in der Kultur unendlich viel höher als beispielsweise die Papuas, und es wäre ganz unangebracht, sie als Wilde zu bezeichnen. Ihre Wohnstätten sind aber keineswegs besser als die der wirklichen Wilden, nur die Häuser der Dorfoberhäupter zeichnen sich durch stattlichere Bauart und größere Dauerhaftigkeit aus. Jene kleinen unscheinbaren Bambushütten, deren Errichtung nur wenig Stunden gekostet hat, haben mir aber immer besonders gefallen. Sie schmiegen sich so gut unter den Schatten der Palmen, der mächtigen Kanari- und Feigenbäume und harmonieren viel besser mit ihrer großartigen Umgebung als die häßlichen Lehmhütten, die man auf dem indischen Festland sieht. Übrigens muß man es auch den Häusern der Europäer lassen, daß sie in ihrer luftigen Anlage, auf Steinsäulen, ihrer niederen Bauart und vor allem durch die schneeweiße Tünchung, die angenehm von dem dunklen Grün der sie umrahmenden Vegetation absticht, ganz vortrefflich mit ihrer Umgebung in Einklang stehen.

Von der Veranda des Hotels stieg ich zum Badehause hinab. Ein


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003