Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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444 Java

hatte nichts dawider, daß die eine Hälfte des Mitteldecks ganz diesem edlen Zwecke geweiht wurde. Alles andere hatte dagegen zurückzustehen. Allerdings mußte das Spiel der lokalen Verhältnisse wegen ein wenig vereinfacht und verstümmelt werden. Um zu verhindern, daß die Bälle über Bord flogen, wurde das halbe Schiff mit Netzen umspannt, und da dennoch täglich 1—2 Bälle dem Meere zum Opfer fielen, sah man einen der Seeleute fast unausgesetzt beschäftigt, uns neue anzufertigen. Auch ich, der ich in diesem Spiele ganz ungeübt war und deshalb keineswegs der Partei nützte, zu der das Los mich gesellte, wurde freundschaftlich und dringend dazu geworben, und war bald mit demselben Feuereifer dabei, wie die anderen.

Unser Spiel gaben wir auch dann nicht auf, als wir in die Tropen eingetreten waren und dem Äquator immer näher kamen. Den Engländern sind ihre Wettspiele durch ihre ganze Jugenderziehung so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, daß ihr Eifer für dieselben keineswegs erlischt, wenn die heiße Sonne der Tropen für jede körperliche Anstrengung einen weit stärkeren Willensakt erfordert, als er in Nord- und Mitteleuropa notwendig wäre. Nicht nur in dem immerhin schon heißen Australien, auch in Singapore, Bombay und Kalkutta sieht man die englische Kolonie das Tennis-, Cricket- und Fußballspiel eifrig pflegen, und sie befindet sich wohl dabei. Die Hitze der Tropen wirkt bei längerem Aufenthalt schädlich auf jeden Europäer. Die körperliche Regsamkeit verliert sich, häufig auch die geistige; ein Hang zu orientalischer Bequemlichkeit und eine Schlaffheit stellt sich ein, der schwer zu bekämpfen ist. Es ist aber viel besser, dem nicht nachzugeben, sondern auch im heißen Klima den Körper täglich einmal tüchtig durchzuarbeiten. Das ist leichter gesagt als getan, und hygienische Erwägungen und gute Vorsätze wirken viel weniger stark als Vergnügen, Anregung und Ehrgeiz. Das aber gewähren neben der Jagd jene Spiele, überhaupt alles das, was man als »Sport« bezeichnet.

Ich bin durchaus kein Bewunderer von fremder Sitte und werde blinder Nachahmung niemals das Wort reden. Wo wir aber bei anderen Nationen etwas handgreiflich Gutes finden, da wäre es töricht, vor der Annahme, meinetwegen vor der Nachahmung desselben zurückzuschrecken, nur deshalb, weil es fremd ist. Es ist daher auch mit Freude zu begrüßen, daß neuerdings in Deutschland von verschiedenen Seiten Anstrengungen gemacht werden, die englischen Sportspiele unbeschadet unseres vaterländischen Turnens bei uns einzubürgern, und ich kann nichts Patriotisches in der Opposition


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003