Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Charakter der Papuas. 431

ist und dessen Endziel der freie und frohe Lebensgenuß zu sein scheint. Selbst dann, wenn sie wie die Motus langdauernde Seefahrten unternehmen, ist doch auch diese arbeitsreiche Zeit, von Festen und monatelanger Muße unterbrochen, ebensowohl eine Vergnügungsfahrt als eine Arbeit.

Frei ist ihre soziale Ordnung; die Häuptlinge, wo sie vorhanden sind, üben wohl einen Einfluß auf das Verhalten des Stammes nach außen hin, im übrigen ist jeder sein eigner Herr, und selbst die Kinder tun, was sie wollen. Die Frauen besorgen das Haus, formen in den Gegenden, wo geeignete Tonarten vorkommen, die Gefäße, arbeiten in den Pflanzungen, aber niemals ist ihre Arbeit eine harte; alles geschieht con amore, mehr wie eine angenehme Beschäftigung als wie eine ernste Pflicht. Die Männer sind Fischer, Jäger, Seefahrer. Aber nur bei gutem Wetter fährt man zum Fischen hinaus, und die Jagd ist, im Gegensatz zu den Australiern, mehr Sport als ein Mittel, sich den Lebensunterhalt zu schaffen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die Papuas überhaupt wesentlich eine Küstenbevölkerung sind und sich nur, dem Lauf der Ströme folgend, etwas dichter in das Inland hinein verbreiten.

Ungeheure Strecken des gebirgigen Innern von Neu-Guinea sind unbewohnt oder ganz dünn bevölkert, ein Umstand, der das tiefere Eindringen in das Land hinein für die Forscher ungemein erschwert hat und wohl neben der gebirgigen, unzugänglichen Natur des Landes der Hauptgrund gewesen ist, daß alle bisherigen Versuche, den Rumpf der Insel zu durchqueren und seine Beschaffenheit zu erforschen, mißglückt sind. Da man nicht erwarten kann, im Innern Eingeborene zu treffen und von ihnen die Nahrungsmittel einzutauschen, muß man alle Lebensmittel, die man braucht, auf menschlichen Schultern mitführen. Zu Trägern aber eignen sich die Papuas schlecht, sie leisten nicht die Hälfte von dem, was ein Neger vermag, und sie sind durchaus abgeneigt, sich auf weitere Expeditionen ins Land hinein einzulassen.

Die Bewohner des dichter bevölkerten Britisch Südost-Neu-Guinea scheinen energischer und kriegerischer zu sein, als die an der deutschen und holländischen Nordküste, wirklich tapfer sind aber auch sie gewöhnlich nicht. Ihre Kriegführung besteht durchweg in feigen Überfällen; die eigentlichen Gefechte sind unblutig, die Metzelei richtet sich gegen die fliehenden oder umzingelten Feinde und gegen die wehrlosen Weiber und Kinder. Chalmers hat jedoch in seinen interessanten Mitteilungen über die Kriege der Papuas Beispiele dafür gegeben, daß es auch unter ihnen tapfere und entschlossene Männer


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003