Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Neu-Guinea. Vom Südkap bis zum Ostkap.

und waren entzückt, wenn wir sie liebkosten und uns mit ihnen beschäftigten. Bei schlechtem Wetter mußten sie hinunter in den dunklen, dumpfigen Schiffsraum, und dort waren sie traurig und ängstlich. Ihre ganze Lebhaftigkeit erwachte aber sogleich wieder, wenn wir sie herauf in die warme, helle Sonne brachten. Dann benahmen sie sich ganz wie ausgelassene Buben, die der dumpfen Schulstube entronnen sind. Wir hätten sie gern den ganzen Tag frei herum laufen lassen, aber ohne Aufsicht durften sie nicht bleiben, denn sie hatten die üble Angewohnheit, Holzwerk und alles, was nicht niet- und nagelfest war, mit ihren kräftigen Schnäbeln in Angriff zu nehmen und in unglaublich kurzer Zeit zu zerstören. Im ganzen zeigten sie eine Klugheit und Gelehrigkeit, wie ich sie noch bei keinem anderen Vogel gesehen habe und wie sie auch die Fähigkeiten sehr vieler Haussäugetiere, wie Kaninchen, Meerschweinchen und der Zweihufer weit übertrifft und beinahe an die des Hundes herankommt. Auch Sprachtalente besitzen diese Kakadus, und einer unserer beiden Freunde lernte bald Worte wie »Cockatoo« und »pretty Cocky« nachsprechen.

In Samarai kam ein junger Händler oder »Trader« namens Richard Ede zu mir und bat mich, ihn doch in der Hekla mit nach Thursday Island zu nehmen, weil er von dort mit dem Britisch India Dampfer Jumna nach England zurückkehren wollte, um sich von schweren Fieberanfällen zu erholen. Er hatte mehrere Jahre lang an der Süd-und Nordküste von Neu-Guinea Handel getrieben und war soeben von einer längeren Fahrt nach den Trobriands-Inseln zurückgekehrt. Seine Streifzüge hatte er meist allein in einem kleinen Lugger ausgeführt, bloß begleitet von einigen Südseeinsulanern, und war mehrfach nur mit knapper Not der Gefahr entronnen, von den Eingeborenen ermordet zu werden, die sich seiner Vorräte bemächtigen wollten. Man kann leider nicht ableugnen, daß bei all ihren liebenswürdigen und anziehenden Eigenschaften die Papuas hinterlistig und begehrlich sind und sich nichts daraus machen, einen harmlosen Fremden totzuschlagen, mit dem sie in freundschaftlichstem Verkehr stehen, wenn ihre Habsucht erweckt ist, und Übermacht oder Überraschung ihnen die Sache leicht macht. Verweilt man nicht allzulange an einem Ort, so ist die Gefahr geringer, denn die Pläne der Eingeborenen bedürfen immer längerer Zeit, um zu reifen. Bei zwei Gelegenheiten, so erzählte mir Ede, war er von eingeborenen Frauen gewarnt und aufgefordert worden, sich davon zu machen, weil der Stamm etwas gegen ihn im Schilde führte. Ein ganz ähnliches Begebnis berichtet D'Albertis von Roro, wo er durch Abia, ein Mädchen aus


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003