Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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408 Neu-Guinea. Vom Südkap bis zum Ostkap.

Eingeborenen. Dennoch schlief ich gut und wachte am nächsten Morgen gekräftigt, aber sehr hungrig auf.

Zunächst ruderten wir nun noch einige Stunden weiter, dann kamen wir an den Beginn des eigentlichen Jagdterrains, zu dem mich Assi führen wollte. Der Fluß macht hier eine Anzahl S-förmiger Windungen und der Wald zwischen diesen Windungen ist von großer Schönheit und Üppigkeit, nicht besonders schwer zugänglich, die Heimstätte zahlloser Vögel, schöner Schmetterlinge und anderer Insekten. Wir verließen nun das Kanoe, und Assi und ich gingen, jeder von einem Eingeborenen begleitet, mit unsern Gewehren den Vögeln nach, immer durch die Waldabschnitte, die zwischen den Flußwindungen lagen, dann über den Fluß hinüber in den nächsten Waldesteil hinein. Es war eine wunderbare Gegend, und nie wieder habe ich eine solche Vereinigung von üppiger Vegetation und reichem Tierleben gesehen. Besonders in den Morgen- und Abendstunden hallen hier die Wälder wieder von dem eigentümlichen Ruf der Paradisea raggiana, der wie höck, höck, höck, höck, höck klingt, den sanfteren, mehr flötenden Lauten des Königsparadiesvogels und den knarrenden Tönen der mächtigen schwarzen Kakadus.

Ich hatte oft Mühe, die Paradiesvögel zu sehen, denn fast immer befanden sie sich in ziemlicher Höhe im dichten, lichtarmen Blätterdach, wo ihre lebhaften bunten und metallischen Farben wenig zur Geltung kommen. Das Auge der Eingeborenen, das viel geübter ist, in diesem Dunkel scharf zu unterscheiden, entdeckte sie oft sofort, während es mir anfangs erst nach längerem Hinsehen gelang, sie wahrzunehmen. Erleichtert wird das Auffinden durch die geräuschvolle Mitteilsamkeit der Paradiesvögel, die unablässig zu rufen und zu locken pflegen, durch ihr geschäftiges Auf- und Abfliegen, ihre nervöse Beweglichkeit, die sie fast keinen Augenblick zur Ruhe kommen läßt. Man braucht nicht Naturforscher zu sein, um ein wahres Entzücken zu empfinden, diese herrlichen Vögel in ihrem Freileben zu beobachten. An Schönheit übertreffen sie wohl alle übrigen Geschöpfe der Erde. Denn wenn ihnen auch manche Kolibris an Buntheit und metallischem Glanz des Gefieders gleich kommen mögen, so haben die Paradiesvögel vor jenen nicht nur die bedeutende Größe voraus, sondern jenen wundervollen phantastischen Schmuck der Haubenfederbüschel, Mantelkragen, der eigentümlich verlängerten und zerschlissenen Feder der Leistengegend, der stolzen Schwanzanhänge. Die Mannigfaltigkeit in der Anordnung, dem Bau und der Färbung dieser Anhänge ist eine erstaunliche, und jede Art ist ein neues Wunder. Das herrlichste ist, daß ein edler Geschmack


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003