Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Kanoefahrt den Gara-Fluß hinauf. 4OS

kommt aber hier noch eine Gattung vor, die an Schönheit des Gefieders und Zierlichkeit der Form alle ändern übertrifft und der König der Königsfischer genannt zu werden verdient. Es ist die Gattung Tanysiptera, ausgezeichnet durch ein in allen Abstufungen des leuchtendsten Blau schimmerndes Gefieder, von dem das Weiß der Unterseite und des Schwanzes kräftig und geschmackvoll absticht, durch ihren korallenroten Schnabel und durch den langen Schwanz, dessen zwei Mittelfedern, zu ungeheuerer Länge ausgezogen, sich am Ende spatelförmig verbreitern. Tanysiptera nährt sich nicht von Wassertieren, die er durch Stoßtauchen erbeutet, sondern von Insekten, Landschnecken und kleinen Eidechsen, auf die er falkenähnlich von seinem Sitze auf einem kahlen Baumast herabstößt. Im Südosten von Neu-Guinea ist besonders die Art Tanysiptera galeata recht häufig. Andere Arten kommen in Nordaustralien (Kap York), Nord-und West-Neu-Guinea, Aru und den Molukken vor. Auf dieses Gebiet ist aber die Verbreitung des Vogels beschränkt.

Beständig hört man das geräuschvolle Girren und emsige Geflatter der Fruchttauben Carpophaga und Ptilopus in den Asten der fruchttragenden Waldbäume. Viele dieser Tauben halten an Pracht und Buntheit des Gefieders dreist den Vergleich mit den schönsten Papageien aus. Überhaupt übertrifft die australische Region an Zahl ihrer Taubenarten und auffälliger Färbung dieser sonst meist unscheinbar gefärbten Vögel alle übrigen Regionen der Erde. Die reiche Entwicklung und Farbenpracht der australischen Tauben wird, zweifellos mit Recht, auf das gänzliche Fehlen von Affen, Lemuren, Katzen, Zibetkatzen und Wieseln in der australischen Region zurückgeführt, welche auf Eier und junge Vögel jagen, und die einer Vogelfamilie, die so wehrlos ist und so rohe Nester baut wie die Tauben, besonders gefährlich sein müssen.

In Neu-Guinea und seinen Nachbargebieten finden sich aber neben den buntesten auch die größten und sonderbarsten aller Tauben, die Kron- oder Goura-Tauben, die die Größe einer Gans erreichen und deren Haupt von einer fächerartigen, aufrichtbaren Haube gekrönt ist. Am schönsten ist dieser Fächer bei der gewaltigen Megapelia (Goura) victoriae entwickelt, bei der die zierlich gefransten, am Ende spatelförmig verbreiterten Haubenfedern den reizendsten Kopfschmuck darstellen, der ein Vogelhaupt ziert. Die Krontauben sind stellenweise recht häufig in Neu-Guinea. Sie halten sich tagsüber vorwiegend am Boden auf, wo sie sich von herabgefallenen Früchten ernähren. Aufgescheucht bäumen sie auf den nächsten Baumast auf und sind deshalb leicht zu erlegen.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003