Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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402 Neu-Guinea. Vom Südkap bis zum Ostkap.

Zunächst ruderten wir mehrere Stunden an der Küste entlang östlich, bis wir an die Mündung des Gara-Flusses kamen. Hier befindet sich eine größere Niederlassung der Eingeborenen inmitten ausgedehnter Pflanzungen, und wir machten Halt, um uns Mundvorrat für unsere weitere Reise einzukaufen.

Ich war ziemlich enttäuscht, als ich sah, daß meine Kanoe-Leute nur Taro und Yams, Knollenfrüchte, deren Geschmack mir wenig zusagt, nicht aber Kokosnüsse und Bananen mitbrachten. Die Banane ist eine der herrlichsten Tropenfrüchte, die es gibt, und wohl auch solchen von uns bekannt, die niemals Europa verlassen haben, da sie nicht selten von Westindienfahrern frisch zu uns gebracht wird. Nicht nur roh ist sie eine höchst angenehme Frucht, die edlen Arten voll Wohlgeschmack und von einem Aroma, das ich am ehesten mit Bonbongeschmack vergleichen möchte: sie läßt sich auch in der verschiedenartigsten Weise zubereiten, als Gemüse kochen oder wie ein Apfelschnitt in Fett braten. Die junge Kokosnuß ist ganz mit einem wässerigen, milchig getrübten Saft von süßem Geschmack gefüllt, der nach langen Märschen in der Brütehitze der Sonne die herrlichste Erquickung abgibt, die man sich denken kann. Für den Tropenreisenden in wilden Gegenden ist es geraten, seinen Durst so viel wie möglich mit Kokosmilch zu löschen, weil dieser Pflanzensaft die Gewähr bietet, frei von Krankheitserregern zu sein, was sich von dem Wasser, das man ungekocht trinkt, nicht behaupten läßt. Je älter die Kokosnuß wird, um so mehr wächst der innere Belag der Schale an Dicke auf Kosten des Saftes. Dieser Belag ist von weißer Farbe, zunächst dünn und nachgiebig wie Gelee, allmählich wird die Masse immer konsistenter und fester. Es ist eine Substanz, die große Mengen von Fett enthält und in getrocknetem Zustande als Kopra in den Handel kommt. Das aus dem Kopra gewonnene Pflanzenfett findet technisch vielfache Verwendung, besonders in der Seifenfabrikation. Im frischen Zustande ist dieses »Fleisch« der alten Kokosnuß ein für meinen Geschmack höchst angenehmes Nahrungsmittel, nahrhaft und von leichtem Nußgeschmack.

Wir begannen nun den Fluß hinaufzurudern, und das Landschaftsbild, das sich vor uns auftat, gehört zu den eindrucksvollsten und schönsten, die ich je gesehen habe. Der Fluß wird einige Stunden oberhalb seiner Mündung ziemlich schmal, bietet aber zunächst noch eine ganz hübsche Wasserfläche, die von einer Vegetation umrahmt wird, wie sie üppiger überhaupt nicht vorgestellt werden kann. Prächtige Nipa-Palmen wachsen bis in den Fluß hinein, hoch recken sich zu beiden Ufern die Häupter der Riesenbäume des Urwaldes, und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003