Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Vielsprachigkeit der Papuas. 401

Ich wollte gern einen längern Ausflug ins Land hinein unternehmen, um Tiere zu sammeln und vor allem um Paradiesvögel zu schießen. Ich war aber einigermaßen in Verlegenheit, wie ich das anfangen sollte, denn es schien ein Ding der Unmöglichkeit, den Eingeborenen meine Absichten klar zu machen. Zum Glück erfuhr ich von dem Missionär, der seinerseits bei allem guten Willen nicht die Fähigkeit besaß, mir viel zu helfen, da er nur samoanisch und kein Wort englisch sprach und keine hervorragende Intelligenz besaß, daß gegenüber auf dem Festland ein Chinese namens Assi wohne, der etwas englisch verstünde. Assi betrieb auf eigene Hand ein wenig Kleinhandel; er hatte sich in seinen Sitten und Lebensgewohnheiten gänzlich papuanisiert, und sein Englisch, wenn es überhaupt je so zu nennen gewesen, war zu einem Wortschatz von 4 bis 5 englischen oder polynesischen Worten zusammengeschrumpft. So viel habe ich feststellen können, daß er »Kaikai« für ein englisches Wort hielt, das Essen bedeute, und daß er unter »Pigeon« nicht Taube, sondern Vogel im allgemeinen, besonders Paradiesvogel verstand. Da er aber im übrigen ein intelligenter Bursche war, gelang es mir, mich mit ihm in der Hauptsache zu verständigen. Er machte mir klar, daß ich den Gara-Fluß aufwärts gehen müßte, um an die richtigen Standorte der Paradiesvögel und andrer seltener Vögel zu gelangen. Er erbot sich, selbst mit mir zu gehen, und stellte mir sein Kanoe zur Verfügung, warb für mich 7 Eingeborene als Ruderer an und bewährte sich in jeder Beziehung vortrefflich. Leider nur mißverstand ich ihn in einem Punkte; ich dachte, es handle sich um eine Kanoe-fahrt von wenigen Stunden. Ich nahm daher weder Kleider zum Wechseln, noch Decken und Nahrungsmittel mit. Meine ganze Ausrüstung bestand aus einem Gewehr nebst gehörigem Vorrat an Patronen, Schmetterlingsnetz, Gefäßen zum Konservieren und Aufbewahren der Sammlungen, endlich einigen Stücken Tabak, um von den Eingeborenen Nahrungsmittel einzutauschen. Wie ich aber später in Erfahrung brachte, hatte Assi einen mindestens achttägigen Ausflug geplant; er hatte mich aber sonderbarerweise mit keinem Worte darauf aufmerksam gemacht, daß meine Ausrüstung für ein solches Unternehmen doch allzu dürftig wäre. Als er am Morgen kam, um mich von der Mission abzuholen, eilte der Missionär Vaitupu herbei und bat mich, ihn doch mitzunehmen; es interessiere ihn zu sehen, wie wir die Vögel schössen. Natürlich hatte ich nichts dagegen. So kam er denn auch noch zu uns ins Kanoe und erhielt von seiner vorsorglichen Gattin ein großes Bündel Gepäck zugereicht, ein viel größeres als ich selber bei mir hatte.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003