Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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394 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

verlangte, über die Natur und Gründe aller seiner Maßnahmen auf dem Laufenden erhalten zu werden.

Immer habe ich es vermieden, da zu befehlen, wo ich nichts verstehe, aber hier war ein gelegentliches Machtwort, wie die Folgezeit ergab, eine absolute Notwendigkeit. Gerade in bedenklichen Lagen gefährdet ein übervorsichtiger Mensch seine Sache mehr als ein tollkühner, und bei der Segelschiffahrt in so schwierigem Fahrwasser, wie man es an den Küsten des Korallenmeeres findet, bedarf es neben der Vorsicht auch eines guten Teils Kühnheit, sonst verpaßt man den rechten Augenblick und kommt doppelt in Bedrängnis. Auch wußte sich unser Kapitän in keiner Weise bei der Mannschaft in Respekt zu setzen, und während dieselbe Douglas und mir ohne Widerrede gehorchte, leistete sie seinen Anweisungen häufig passiven Widerstand, ließ ihn ruhig reden und kommandieren und tat was sie wollte. Ich hatte das den Leuten mehrmals zu verweisen, aber es war doch unerfreulich, daß ein weißer Kapitän sich nicht selber bei den Südsee-Insulanern unbedingten Gehorsam verschaffen konnte.

Natürlich war unser Mißgeschick an jenem Tage noch nicht zu Ende. Bald nach Sonnenaufgang hörte der Wind auf und wir hatten bis 11 Uhr vollkommene Windstille, dann kam eine leichte Seebrise und erst um 4 Uhr nachmittags konnten wir vor Aroma vor Anker gehen.

Aroma ist nicht eigentlich der Name eines Dorfes, sondern eines Distrikts, zu dem 14 Dörfer gehören, die sich durch Größe und Macht auszeichnen. Wir ankerten vor dem Dorf Parimata und nahmen unsere Wohnung bei dem Missionär Feinaore aus Tahiti. Schöner noch und größer als Parimata ist Maopa, wo der intelligente Tahiti-Missionär Tabuta seinen Wohnsitz hat. Maopa ist das stattlichste Dorf, das ich in Neu-Guinea gesehen habe, es ist eigentlich ein Haufen von Dörfern und könnte der Zahl seiner Häuser und Einwohner nach fast als eine Stadt bezeichnet werden. Die Bevölkerung ist kriegerisch, selbstbewußt, und ich sah hier die prächtigsten Exemplare des Papua-Typus, die mir überhaupt vorgekommen sind. Als ich einmal auf der Veranda von Tabutas Haus saß, kamen ein halbes Dutzend Männer zu uns, von denen keiner weniger als 170 cm maß und deren Körper ebenso ebenmäßig als stark gebaut war. Nur die geringe Entwicklung der Wadenmuskulatur stört, für unsere Begriffe wenigstens, die Harmonie der kräftigen Männerschönheit. Alle aber überragt der berühmte Häuptling Koapena, den ich in seinem Hause in Maopa besuchte. Er ist etwa 181 cm hoch, von mächtigem Gliederbau, prachtvoll entwickelter Muskulatur, ein wahrer Herkules.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003