Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Christlicher Gottesdienst in Motu-Sprache. 383

zu entwickeln. Ein wohlklingender, herzhaft gesungener Choral beendete den kurzen Gottesdienst.

Gegen 10 Uhr lichteten wir die Anker, kamen aber nicht recht vorwärts, da Windstille herrschte, und nur ab und zu rasch aufkommende und vorüberziehende Böen uns ostwärts trieben. Wir passierten Tupuselei, ein großes und schönes Pfahldorf, und mußten nachmittag vor Kapa-Kapa vor Anker gehen, weil mit Sonnenuntergang der Wind vollkommen aufhörte. Am nächsten Morgen passierten wir Round Head, brauchten aber noch den ganzen Tag, um bis Hula zu kommen, denn wir hatten einen starken Südost gegen uns, gegen den wir nur mühsam durch Lavieren vorwärts kamen.

Hula liegt auf einer vorspringenden Landspitze der Beagle-Bay. Westlich von dieser Landspitze bildet die Küste eine zweite Bai, die Hood-Bay, in deren Tiefe das Dorf Kalo liegt. Nicht fern von demselben mündet der bedeutende Kemp-Welsh-Fluß, der ein fruchtbares, wohl bevölkertes Gebirgsland durchströmt. Das Dorf Kalo besitzt an der Küste von Neu-Guinea eine traurige Berühmtheit dadurch, daß dort elf Jahre vor meiner Ankunft vier polynesische Missionäre mit Weib und Kindern, im ganzen zwölf Personen, ermordet worden sind. Sie wurden in ihrem Walboot von Eingeborenen umringt, von denen sie meinten, daß sie sich zu ihrer Begrüßung eingefunden hätten, und mitleidlos gespeert. Ein Speerwurf durchbohrte ein Kind zugleich mit seiner Mutter, die es auf dem Schoß hielt. Die Leichen wurden den Krokodilen zur Beute ins Wasser geworfen. Was eigentlich die Eingeborenen zu dieser verräterischen und scheinbar ganz unmotivierten Handlung getrieben hat, ist nicht recht aufgeklärt worden. Der Hauptanstifter war der Häuptling Quaibo von Kalo, und dieser wurde mit noch drei anderen Kriegern bald darauf im Kampfe getötet, als er sich dem Angriff einer Strafexpedition des Kriegsschiffs Wolverene gegen sein Heimatsdorf tapfer widersetzte. Mit dem Tode des Hauptschuldigen ließ man es genug sein und verzichtete darauf, das Dorf niederzubrennen oder den Mord durch ein großes Blutbad Unschuldiger zu sühnen.

Man kann wohl bei den Papuas von Häuptlingen sprechen, denn in vielen Dörfern finden sich Männer von hervorragendem Ansehen, die eine Führerrolle spielen und einen bedeutenden Einfluß ausüben. Die Macht, die sie besitzen, besteht aber doch mehr darin, daß man sich ihrer erprobten Tüchtigkeit und Erfahrung freiwillig unterordnet, als daß sie einen verbrieften und sozusagen rechtlichen Anspruch an dieselbe hätten. In vielen Dörfern gibt es überhaupt kein anerkanntes Oberhaupt, sondern nur eine Anzahl hervorragender führender


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003