Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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382 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Siidkap.

Kinder, die er im Hause beschäftigt, und auch sonst noch viele muntere Knaben und Mädchen sich abends am Boden seines Wohnraumes zu lagern und mit Herzensfreude und musikalischem Gefühl die einfachen Weisen jener Hymnen zu singen, deren Worte sich doch wohl allmählich ihrer Seele einprägen und dieselbe mildernd beeinflussen werden. Von der Veranda des Missionshauses hatten wir einen reizenden Blick auf die Dörfer vor uns, den landumschlossenen Hafen und die fernen Bungalows der Weißen uns gegenüber. Lange noch saßen wir plaudernd und unsere Pfeifen rauchend in der Abendkühle im stillen Genusse der schönen Tropennacht und lernten manche interessante Beobachtung und merkwürdige Begebenheit aus dem Munde unseres freundlichen Wirtes.

Am nächsten Morgen wohnten wir einem kurzen Gottesdienste in der schönen Kirche der Mission bei, die von Herrn Lawes mit Hilfe der Eingeborenen eigenhändig erbaut worden war. Es ist ein stattliches Gebäude von über 20 Meter Länge und 8 Meter Breite, das auf Mangrovepfählen ruht; der Boden besteht ans Teilen alter Ka-noes, die so sorgfältig an einander gepaßt sind, daß sie ein völlig ebenes Parkett bilden. Das Gerüst des Hauses und die Decke wird aus Baumstämmen, die an Ort und Stelle gefällt und zugerichtet sind, gebildet, Seitenwand und Dach sind sauber und zierlich mit Panda-nusblättern gedeckt. Fenster sind nicht vorhanden, die offnen Türen lassen Licht und Luft ein. Der Gottesdienst konnte auf mich kaum einen Eindruck machen, da er in der Motu-Sprache abgehalten wurde. Diese Sprache ist wohl einmal bestimmt, eine Art lingua franca für Britisch-Neu-Guinea zu werden. Sie ist eine seltsame Mischung von papuanisch und ostpolynesisch. Der Wortschatz ist dem Polynesischen entlehnt, während die Grammatik papuanisch ist. Die weiten Seefahrten der Motu haben es mit sich gebracht, daß sie schon jetzt an vielen Küstenorten verstanden wird, und zweifellos liegt es in der Hand der Missionäre und Regierung, ihr allmählich noch eine weitere Verbreitung zu geben. Übrigens war die Gemeinde, die dem Frühgottesdienste beiwohnte, nur recht klein. Außer den Missionszöglingen etwa ein halbes Dutzend der Dorfbewohner. Einer der letzteren, ein grämlich und finster aussehender alter Mann, trat vor und sprach eine Art Gebet oder Bekenntnis. Wie wir hörten, war er ein berühmter Kriegsführer der Motus, ein gefährlicher Geselle, verwegen und räuberisch, der früher durchaus nicht zu den Freunden der Mission gehört hatte. Seit einigen Jahren aber schien aus dem Saulus ein Paulus geworden zu sein, denn er gehörte jetzt zu den eifrigsten Kirchengängern und schien sich zu einer Leuchte der Frömmigkeit


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003