Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

384 Neu-Guinea. Von Jule Island bis znm Südkap.

Männer. Kriegerische Tüchtigkeit, Klugheit und Erfahrung, vermeintliche Zauberkunst sind es, die dem Manne einen derartigen Einfluß über seine Dorfgenossen einbringen, erblich aber sind Macht und Einfluß nicht. In mancher Beziehung erinnern diese Zustände an die von mir früher geschilderten australischen. Ein sehr wichtiger Unterschied ist jedoch der, daß die Basis des Zusammenlebens bei den Papuas viel weniger kommunistisch ist als bei den Australiern. Der Grundbesitz, die Pflanzungen, die Häuser sind Privateigentum, von dem Schmuck und den Waffen gar nicht zu reden. Muschelgeld ist allerdings an diesem Teile der Küste wenig in Zirkulation. Die Eingeborenen besitzen wohl Kapital in ihrem Grund und Boden, ihren Plantagen und Gerätschaften, sie sind aber nicht eifrig darauf bedacht, es zu vermehren. Man unterscheidet darum nicht reiche und arme Männer, ein jeder hat genug, um zu leben, und keiner befindet sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von dem ändern. So ist in diesen Gegenden Neu-Guineas das soziale Zusammenleben zwar kein kommunistisches, aber ein in hohem Grade demokratisches. Nur ganz selten findet man Häuptlinge von wirklicher Macht und weitreichendem Einfluß.

Dieser Mangel an anerkannten, einflußreichen Häuptlingen in den Dörfern bringt für die englische Regierung manche Unannehmlichkeiten mit sich. Denn es ist gewöhnlich schwer, eine einzelne Persönlichkeit zu finden, an die man sich halten könnte und die bereit und im stände wäre, eine wirkliche Verantwortlichkeit zu übernehmen. Die Regierung hat deshalb versucht Häuptlinge zu machen, wie weiland Graf Warwick Könige zu machen pflegte. Sie hat in solchen Dörfern, in denen es keine Häuptlinge gab, würdig scheinenden Männern Stäbe mit Insignien verliehen, an die sich die Häuptlingswürde knüpfen soll. Mit den Stäben ist aber der gewünschte Einfluß nicht gekommen, und der Stabträger in Hula, der sich mir öfter Tabak heischend genaht ist, besaß weniger Macht und Ansehen als viele andere Männer.

Hula ist ein typisches Pfahldorf und es gewährt einen überraschenden, höchst eigenartigen Anblick, wenn man von See kommend die zahlreichen Hütten des bevölkerten Ortes mehrere Kilometer weit im Wasser verstreut sieht. Nach oberflächlicher Schätzung dürfte dieses Dorf etwa tausend Einwohner haben.

In Hula befindet sich ein polynesischer Missionär, Itama von Rarotonga, und dieser kam gleich zu uns an Bord und lud Herrn Douglas und mich ein, für den halbwöchentlichen Aufenthalt, den wir in Hula machen wollten, in seinem Hause Wohnung zu nehmen. Das


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003