Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Farbige Missionäre. 379

ziemlicher Entfernung von der Ansiedlung der Weißen auf einem Hügelrücken gerade über den Dörfern der Eingeborenen. Es sind über ein halbes Dutzend Gebäude, Kirche, Wohnhäuser für den weißen Missionär, für die farbigen Lehrer (Teacher) und für die Missionszöglinge. Die London Mission Society betreibt ihr Werk in sehr eigenartiger Weise. Sie bildet außer ihren weißen Missionären eine große Anzahl von Südseeinsulanern aus, die in besonderen Missionsschulen auf der Südsee in Tahiti, Rarotonga und Samoa erzogen und auf ihren Beruf vorbereitet werden. Diese farbigen Missionäre arbeiten unter Aufsicht der Weißen, und da ihre ganze Lebensführung naturgemäß eine einfachere ist als die eines weißen Mannes, ist ihre Erhaltung eine billigere, und man kann deshalb eine viel größere Anzahl solcher Missionäre aussenden, als wenn man sich allein auf weiße Verkündiger des Evangeliums beschränken würde. Sie besitzen allerdings nicht dieselbe Autorität bei den Eingeborenen wie die Weißen, aber dies wird dadurch aufgewogen, daß sie sich doch in mancher Beziehung besser in das Seelenleben der Naturvölker hineindenken, die religiösen Stoffe dem naiven Auffassungsvermögen der Wilden leichter faßlich machen können. In Glaubenseifer, in Hingabe an ihren Beruf stehen sie keinem Weißen nach und leisten hier, wo sie fortdauernd der Aufsicht unterstehen, Ausgezeichnetes.

Ich hatte von meinen Reisen in Westafrika her ein starkes Vorurteil gegen farbige Missionäre mitgebracht, fand dasselbe aber hier völlig ungerechtfertigt. Der Unterschied liegt wohl wesentlich in der fortdauernden und scharfen Kontrolle, die in Neu-Guinea über die farbigen Missionäre von ihren weißen Vorgesetzten ausgeübt wird. Seit längerer Zeit hat man begonnen, Eingeborene von Neu-Guinea von klein auf in der Missionsschule von Port Moresby zu erziehen und sie allmählich zu Lehrern ihres eignen Volkes heranzubilden. Die Erfolge sind im ganzen nicht schlechte, wenn auch nach dem Zeugnis der Leiter die Papuas an Verstand und Beharrlichkeit den Polynesiern weit nachstehen, und die Intelligentesten von ihnen kaum das leisten, was der Durchschnitt der Missionäre von Samoa und Tahiti zu leisten pflegt. Die begabtesten von allen sollen die Samoaner sein. Der farbige Lehrer oder Teacher von Port Moresby, Ruatoka mit Namen, zeichnet sich durch besondere Tüchtigkeit und Intelligenz aus und hat der Mission im Laufe seiner langen Tätigkeit hervorragende Dienste geleistet.

Unterhalb der Mission am Strande liegen die Dörfer der Eingeborenen, Tanobada und das größere Hanuabada1), gegenüber auf einer

1) Von manchen Geographen und Reisenden Anuapata geschrieben.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003