Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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358 Neu-Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

Die Eingeborenen dieses Teils der Neu-Guinea-Küste sind zwar gute Fischer, Schiffer und Schiffbauer, aber ihre Schiffsbaukunst hat sich noch nicht über das Stadium des Einbaumkanoes erhoben, und wollen sie Fahrzeuge herstellen, die mehr Rauminhalt haben als das Einbaumschiff, das naturgemäß immer schmal ist und sich nicht zum Warentransport eignet, so erreichen sie ihren Zweck durch Kombination, nicht durch Schöpfung eines neuen Typs. Wie meine Photographie zeigt, werden eine Anzahl recht großer und langer Einbaumkanoes, drei oder mehr, neben einander gelegt und fest mit einander verkoppelt. Darauf wird in der Mitte des Ganzen quer über die Kanoerümpfe herüber eine Plattform errichtet, die Seitenwände aus Matten der Nipapalme erhält. Zum Dichtmachen bedient man sich auch getrockneter Bananenblätter. Vorn und hinten befinden sich gedeckte Verschläge, die Schutz gegen Regen und Sturzseen gewähren. Außen läuft um das Ganze ein Gerüst herum, das man auch auf meiner Photographie sieht, und welches das eigentliche Außendeck darstellt. Die Lakatois besitzen meist zwei Maste aus Mangrove-stämmen im Zentrum dicht bei einander. Aus der Lakatoi auf meiner Photographie sind die Maste herausgenommen. Man bemerkt sie aber auf der Abbildung Seite 385 und sieht dort auch die wundersam gestalteten Mattensegel, von denen je eins zu jedem Mast gehört, und deren kühne und anmutige Formen dem Schönheitssinn der Papuas die größte Ehre machen. Denn ein besonderer nautischer Vorteil verbindet sich nicht mit diesen eigentümlich ausgeschweiften Spitzen. Das Tauwerk besteht aus gedrehtem und geflochtenem Bast, das Ankertau aus Rotang. Übrigens wird dieses unübertreffliche Material in Neu-Guinea zum Binden entschieden weniger benutzt als im malayischen Archipel, wo es geradezu universale Anwendung findet. Regelmäßig sah ich es im St. Joseph Distrikt als Bogensehne verwendet. Ebenso hat die Bambuspflanze für die Papuas nicht ganz die Bedeutung, wie beispielsweise für die Dajaks auf Borneo. Von Letzteren in hervorragender Weise als Baumaterial für Brücken, Häuser, Tierkäfige, Wasserleitungen, ferner als Kochgeschirr und zu unzähligen anderen Zwecken benutzt, findet es in Neu-Guinea beschränktere Verwendung: hauptsächlich als Tabakspfeife mit aufgebranntem Muster, wie man sie auf meinen Photographien Seite 435 Figur 8-11 dargestellt findet. Ferner zur Herstellung von Pfeilschäften, während die Bogen häufiger aus jungen Palmstämmen als aus Bambus hergestellt werden. Endlich aber dient ein Stück halbierten Bambusrohrs als Kriegsmesser, um dem erlegten Feinde das Haupt vom Rumpfe zu trennen (Seite 436, Figur 37). Die Bruchstelle des


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003