Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Graswälder. 355

lische Missionäre der Gesellschaft vom heiligen Herzen Jesu das reiche und gut bevölkerte Hinterland, das von dem stattlichen St. Josephs-Fluß bewässert wird, zum Felde ihrer Tätigkeit und machten die kleine Insel selbst zu ihrem Hauptquartier. Man kann diese Wahl als eine glückliche bezeichnen, da der Hall Sound zwischen Insel und Festland einen vortrefflichen geschützten Ankerplatz bildet.

Die katholische Mission in Neu-Guinea bestand 1892 aus dem Erzbischof Navarre, dem Bischof Verjus, der zur Zeit abwesend war und seitdem in Europa gestorben ist, zwölf Vätern und Brüdern und sieben Schwestern. Die »Väter« sind ordinierte Geistliche, die »Brüder« Laienbrüder, die sämtlich ein Handwerk verstehen. Die Sprache, in der die Ordensmitglieder miteinander verkehren, ist die französische; überhaupt liegt die ganze Leitung in französischen und italienischen Händen. Die »Brüder« sind größtenteils Holländer und Westdeutsche. Die Mission besitzt auf Jule Island ziemlich ausgedehnte und zweckmäßig eingerichtete Baulichkeiten und eine schöne Kirche.

Als Douglas und ich an das Land kamen, wurden wir auf das Freundlichste vom Erzbischof und von den übrigen Geistlichen aufgenommen und gastfrei bewirtet. Es war Palmsonntag, und die meisten Mitglieder der Mission waren dazu von ihren Sitzen auf dem Festland nach der Insel herübergekommen, um dem Feste der Palmweihe beizuwohnen. Einen sonderbaren Kontrast bildete es, die Missionäre in ihrem Ornat, die Schwestern in hellblau und weißen Gewändern in feierlicher Prozession auf dieser grünen Tropeninsel in die Kirche wandeln zu sehen, umringt und angestaunt von den dunkelgefärbten, mähnengeschmückten Wilden.

Während der kirchlichen Ceremonie machte ich einen Ausflug nach dem waldbedeckten Hügel, der sich über der Missionsstation erhebt, und sammelte in dem nicht allzudichten Buschwerk zahlreiche Insekten und einige schöne Eidechsen. Um die Kronen der hohen Bäume schwebten riesige, prachtvoll gefärbte Schmetterlinge, zu hoch und zu schnellen Fluges, um sie mit meinem Netze zu fangen. Auf dem Rückwege geriet ich an eine weite Fläche, die mit mehrere Meter hohem Gras bewachsen war, anfangs nicht sehr dicht, so daß man sich noch ganz gut zwischen den Halmen durchdrängen konnte, bald aber ganz unwegsam und undurchdringlich. In einem solchen Graswalde kommt man sich wie versunken und verloren vor. Eine erdrückende Schwüle herrscht, weil kein Luftzug in diese kompakte Pflanzenmasse einzudringen vermag, es ist weder möglich, sich durchzuzwängen, noch auch die Halme niederzutreten; denn dazu sind sie zu stark und zu gut gesteift. Große Bodenflächen werden in


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003