Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ankunft an der Küste von Neu-Gninea. 351

tabilischen Stoffen ernähren. Übrigens verschwanden auch von unserem Lugger die Wanzen nach einigen Wochen, ohne daß sich Schaben angesiedelt hätten.

Am Morgen des neunten April erblickten wir gerade vor uns eine hohe Bergkette, deren Kamm durch eine isoliert emporragende, kühn geformte Spitze gekrönt wird. Es ist Mount Jule, dessen Gipfel eine Höhe von über 3000 Meter erreicht, und der als weithin sichtbares Wahrzeichen den von Westen kommenden Besucher Neu-Guineas begrüßt. Mit günstigem Winde näherten wir uns rasch dem Lande und wurden mehrere Stunden lang von einer Schar oder »Schule« von Delphinen begleitet, die wohl an hundert Mitglieder zählte. Zeitweilig schwammen sie in Reih und Glied in Sektionen zu dreien oder vieren rechts und links neben oder auch vor dem Schiffe, wobei es schien, als suchten sie mit Eifer und Pflichttreue genau Schritt und Richtung zu halten. Dann wieder umspielten sie uns mutwillig, schnellten sieh meterhoch aus dem Wasser heraus, die wildesten unter ihnen schlugen richtige Purzelbäume und benahmen sich ganz und gar wie übermütige, ausgelassene Buben. Dann schienen sie plötzlich den Spaß satt zu haben, blieben zurück, folgten uns noch einmal und trennten sich endlich auf Nimmerwiedersehen von uns.

Sobald es uns die Annäherung an die Küste erlaubte, sahen wir, daß der fernen Hauptkette vorn eine Anzahl von niedrigeren Berg-und Hügelketten vorgelagert sind, und daß vor den Hügeln noch ein breiter, ganz flacher Küstenstreifen liegt. Je weiter man nach Osten geht, um so mehr verschmälert sich dieser Flachlandstreifen, und an der Ostküste der Insel fallen die steilen Berge unmittelbar ins Meer ab.

Es dunkelte, als wir in den schmalen Sund zwischen der Insel Roro (Jule Island) und dem Festlande, dem Hall Sound, vor Anker gingen. Ein Gewitter von furchtbarer Heftigkeit brach los und verhinderte uns, noch an diesem Abend Insel oder Festland zu betreten.

Am nächsten Morgen ging die Sonne an einem wolkenlosen Himmel auf, die Luft war rein und klar, und über dem waldbedeckten Flachlande und den ferner gelegenen Hügelketten hoben sich in bläulichem Dufte der trotzige Mount Jule und im fernen Osten die gewaltige Kette des Mount Owen Stanley, die mit ihren Hochgipfeln von 4000 Meter Höhe hinter unsern höchsten Alpengipfeln wenig zurücksteht. Schnee deckt allerdings keine dieser Spitzen, die ja nur 8—9 Grade (120—135 Meilen) südlich vom Äquator liegen. Noch höher scheint sich in Deutsch-Neu-Guinea die Bismarckkette zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003