Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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350 Neu Guinea. Von Jule Island bis zum Südkap.

Während der letzten beiden Tage unserer Überfahrt blies der Wind unregelmäßig bald aus Südost, bald aus Nordwest, dazwischen kamen Perioden gänzlicher Windstille. Um uns die Zeit zu vertreiben, stellten Douglas und ich Schießübungen auf das langsam an uns vorüberziehende Treibholz an und erprobten eine Anzahl Snidergewehre, die uns der Government-Resident als Waffen gegen etwaige Angriffe der Eingeborenen mitgegeben hatte. In den Nächten hatten wir regelmäßig heftige Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und waren gezwungen, statt auf Deck zu schlafen, uns in die winzige, höhlenartige Kajüte zurückzuziehen, die wir beide gemeinsam mit unserm Kapitän inne hatten.

Wenn es stark stürmte und regnete, mußten wir unten alle Luken schließen, und die Luft wurde drinnen entsetzlich. Dazu kamen schmerzhafte Insektenstiche an Hals, Händen und Füßen, die wir in den ersten Tagen, an denen wir in der Nähe bewaldeter Inseln ankerten, den Moskitos zuschrieben. Bald aber entdeckten wir, daß unsere Kabine eine Kolonie von Wanzen barg, denen sehr schwer beizukommen war, da sie sich tief in den Ritzen und Spalten des Holzwerks zu verstecken wußten. Wanzen werden an Bord eines Schiffes, das längere Zeit auf See gewesen ist, nur ganz ausnahmsweise gefunden. Der Wasserreichtum der Atmosphäre, der allmählich alles Holzwerk, jeden Schlupfwinkel durchfeuchtet, sagt diesen Geschöpfen, die die Trockenheit lieben, nicht zu. Das eigentliche Hausinsekt des Schiffes ist die Schabe, Periplaneta orientalis, und die Matrosen behaupten, daß die Wanzen, die zuweilen auf neuen Schiffen vorkommen, verschwinden, sobald Schaben es sich dort heimisch machen. Ob dies wahr ist und ob die Schaben wirklich den Wanzen nachstellen, erscheint mir doch zweifelhaft, da alle Erfahrungen dafür sprechen, daß erstgenannte Insekten sich ganz vorwiegend von vege-

ruhig stehen, obwohl neuerdings abweichende Ansichten laut geworden sind. Natürlich ist dies nur ein Faktor unter vielen. Bei vielen Pflanzen, Protozoen, niedrig organisierten Tieren, auf die im ausgewachsenen oder im Eizustand das Eintrocknen nicht schädlich wirkt, spielt der Transport durch Winde oder flugbegabte Tiere (z. B. Wandervögel) eine viel größere Rolle. Für höher organisierte Landtiere kommt das aktive Schwimmvermögen hinzu, das manche über beträchtliche Wasserschranken hinweghilft. Wenn neuereings Max Weber in seiner Abhandlung über den indoaustralischen Archipel und die Geschichte seiner Tierwelt (Jena 1902) ziemlich ironisch über die »Flößtheorie« in ihrer extremen Äußerung spricht, so ist demgegenüber zu antworten, daß die extreme Äußerung aller derartiger Hypothesen vom Übel ist, der Landbrückentheorien nicht minder als der Flößtheorie. Ich bitte hierüber meine Ausführungen auf Seite 199, 200 zu vergleichen.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003