Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Vorbereitungen zur Reise nach Neu-Guinea. 345

Die Segelschiffahrt an den korallenumsäumten, von starken Strömungen umspülten Küsten Neu-Guineas, die kartographisch bisher nur sehr unvollkommen aufgenommen sind, ist so gefährlich, daß keine Gesellschaft sich auf die Versicherung einlassen wollte. Nun erklärte sich Andersen bereit, das Schiff unversichert gehen zu lassen, verlangte aber 600 Mark monatlich. Nach längerem Überlegen und Hin- und Herverhandeln ging ich auch darauf ein. Inzwischen hatte nun Andersen in Erfahrung gebracht, daß sein Fahrzeug das einzige sei, das ich zur Zeit in Thursday Island erhalten könnte, und erklärte, 600 Mark sei nicht genug. Herr Mountain, der mir bei diesen Verhandlungen getreulich half, gab sich die größte Mühe, ihn zum Worthalten zu veranlassen. Andersen lachte über so philiströse Anschauungen und suchte meine Notlage auszunutzen; vielleicht würde er den Lugger für 800 oder 1000 Mark hergeben. Da entschloß ich mich kurz und erklärte: Für 600 Mark miete ich das Schiff, für keinen Pfennig mehr. Erhalte ich es nicht für diesen Preis, so gebe ich einfach meinen Plan, nach Neu-Guinea zu gehen, auf und widme meine ganze Zeit bis zum Juli dem nördlichen Queensland. Da Andersen mich fest entschlossen sah, gab er nach und überließ mir die Hekla für 600 Mark. Während ich mit dem Einkauf von Vorräten und Tauschartikeln und Verladen meines Gepäcks und meiner Sammelgerätschaften beschäftigt war, kam der Government Resident von Thursday Island, früher Premierminister von Queensland und Gouverneur von Neu-Guinea, Honorable John Douglas, zu mir, um mich zu fragen, ob ich wohl seinen Neffen, Herrn R. Sholto Johnston Douglas, einen Sohn des Marquis of Queensberry, nach Neu-Guinea mitnehmen wollte. Der junge Schotte weilte auf dem Heimweg nach Europa von einer Reise nach Neuseeland und Australien gerade zum Besuch bei seinem Onkel auf Thursday Island und wollte gern die günstige Gelegenheit wahrnehmen, das Wunderland Neu-Guinea kennen zu lernen. Da er bereit war, sich völlig meiner Leitung unterzuordnen, und die wissenschaftlichen Ziele der Reise in jeder Beziehung als die ausschlaggebenden anzuerkennen, ging ich auf den Vorschlag ein. Es hat ja immer etwas bedenkliches, bei einer solchen Expedition einem Fremden den Anschluß zu gestatten, und am besten reist der Naturforscher allein mit Leuten, die einfach in seinen Diensten stehen. Wenn zwei alte Freunde zusammenreisen, die sich ganz verstehen und dieselben Ziele verfolgen, oder zwei nahe Verwandte, die sich von Jugend an kennen, so ist das natürlich etwas anderes, und Arbeitsteilung und gegenseitige Anregung erweisen sich dem Unternehmen nur nützlich. Sich mit einem Fremden zu vereinigen, ist aber ein gewagtes Lotteriespiel,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003