Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ausflug nach der Nordspitze des australischen Festlandes. 330

mit Mangroven bewachsen, das Flußbett voller Sandbänke und Untiefen. Mit der Flut und günstigem Winde hofften wir in unserm kleinen, nicht tiefgehenden Boot eine tüchtige Strecke flußaufwärts vorzudringen. Bald aber saßen wir fest, wurden wieder flott, arbeiteten uns um die Untiefe herum, liefen wieder auf, kamen los, wandten uns mühsam noch einige hundert Meter weiter, bis wir auf einmal mit großer Gewalt in den weichen Schlamm hineinfuhren und nun hoffnungslos fest saßen. Es war unmöglich, das Schiff über das Hindernis herüberzuschieben, aber es wollte uns ebensowenig gelingen, uns rückwärts in tieferes Wasser zurückzustoßen. Ich sagte zu Wilson, das beste wäre wohl, wir sprängen alle vier in den Fluß, erleichterten dadurch das Schiff um unser Gewicht und schöben es mit unsern Schultern ab. Dagegen erhob sich nur das eine Bedenken, daß es hier an der Flußmündung von Leistenkrokodilen wimmelte. Aber es galt keine Zeit zu verlieren. Schon hatte die Flut ihren Höhepunkt erreicht und in einer halben Stunde war keine Aussicht mehr loszukommen; ja, wenn wir heute nicht freikamen, hätten wir vielleicht wochenlang hier sitzen können, weil die Flut in dieser Mondphase mit jedem Tage abnahm. So sprangen wir denn unbekümmert um die gepanzerten Freibeuter in den Strom und blieben, wie zu erwarten, von den gefräßigen aber feigen Räubern, denen vor den vier geräuschvoll im Wasser arbeitenden Menschen selbst bange wurde, unbelästigt. Es gelang unsern vereinten Anstrengungen, das Boot wieder flott zu machen; aber den Versuch, uns weiter flußaufwärts zu arbeiten, gaben wir auf und ließen uns wieder so weit abwärts treiben, bis wir in tieferes Wasser kamen. Hier gingen wir am linken Ufer des Flusses vor Anker, nahmen unsere Decken und Vorräte und ruderten im Dingy ans Land, um einen oder mehrere Tage auf der nördlichsten Spitze Queenslands und ganz Australiens Beobachtungen und Material zu sammeln.

Beim Herumstreifen fanden wir Reste einer Behausung, die von einem Missionär herrührten, der hier einige Zeit gelebt hatte. Seine Tätigkeit war wenig ersprießlich gewesen, denn seine zukünftige Gemeinde zog gewöhnlich nomadisierend im Busch umher und ließ ihn verlassen in der Einsamkeit sitzen. Ihr gelegentlicher Besuch galt auch blos dem Tabak des guten Mannes, der endlich einsehen mußte, daß es leichter sei, den Steinen in der Wüste und den Tieren des Waldes zu predigen, als diesen unstäten, herumschweifenden Horden. So hatte er denn sein Bündel geschnürt und sich ein weniger steiniges Feld zum Beackern gesucht. Neben den fast unkenntlichen Resten des ehemaligen Missionshauses standen einige


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003