Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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338 Thursday Island und die Torresstraße.

Frühmorgens von Thursday Island aufbrechend, kamen wir nur sehr langsam vorwärts, weil der Nordwest, der gestern und vorgestern gestürmt hatte, einer gänzlichen Windstille gewichen war, die nur ab und zu durch Regenböen unterbrochen wurde. Jede Bö trieb uns ein Stückchen fort, dann flappten die Segel wieder um den Mast und wir mußten mehrmals vor Anker gehen, um nicht durch die Strömung zurückgetrieben zu werden. So kämpften wir uns langsam vorwärts, östlich um Horn Island herum, dann mit südlichem Kurs an Entrance Island vorbei bis Possession Island, das der Küste des Festlandes ganz nahe liegt. Hier gingen wir für die Nacht vor Anker. Ströme von Regen fielen in der Nacht vom Himmel, und da unser Kutter zu winzig war, um unten im gedeckten Raum zu schlafen, bekamen wir auf Deck in jeder Stunde der Nacht einen gehörigen Guß, gegen den wir uns mit Öltuch und Segel so gut es ging schützten. Dann ließ der Regen nach, wir schliefen ein, um eine halbe Stunde darauf durch ein neues Schauerbad erweckt zu werden. Doch das war nur das Vorspiel.

Am nächsten Morgen segelten wir entlang der hügeligen bewaldeten Westküste des Festlandes vorbei am Paterson, wo die Telegraphenleitung Queenslands ihr nördliches Ende erreicht, und der Anschluß mit dem Kabel von Thursday Island hergestellt wird. Während ich auf Thursday Island war, gab es einmal eine längere Unterbrechung in der telegraphischen Verbindung. In Paterson lebten bloß drei Menschen: der Telegraphenmeister mit seiner Frau und ein Gehülfe. Eines Tages nun wurde der Meister von blinder Eifersucht erfaßt, nahm sein Gewehr und gab seine Geneigtheit zu erkennen, sein verantwortliches Amt ohne Gehülfen weiterzuführen. Der Gehülfe schlug sich darauf, um weiteren Unannehmlichkeiten auszuweichen, in den Busch, sein Vorgesetzter folgte ihm mit Mordgedanken im Herzen, und erst der kleine Regierungsdampfer Albatroß, der eintraf, um nachzusehen, ob nicht etwa die drei Menschen von den Schwarzen ermordet seien, stellte den Frieden wieder her, indem er den gänzlich verschüchterten Gehülfen aus seinem Buschversteck nach Thursday Island zurückbrachte, während das Ehepaar sich versöhnte und in Eintracht auf seinem einsamen Posten am nördlichsten Punkte Australiens ausharrte. In unserer Zeit der Friedenskongresse ist es interessant zu sehen, wie schwer auch nur drei Menschen in Frieden bei einander leben können.

Weiter südwestlich steuernd kamen wir gegen Mittag an die Mündung des Jardine Rivers und gingen mit der Flut über die Barre. Das Land ist hier flach und ziemlich dicht bewaldet, die Flußufer


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003