Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Eine verkramte Riesenkanone. 331

das Rohr in England mit zu verladen, und allmählich dämmerte das denn auch den Matrosen und dem Schiffsoffizier, die das Einladen besorgt hatten.

Auf eine telegraphische Anfrage in England erfolgte die Antwort, daß das vergessene Geschützrohr mit dem nächsten Schiff, das einen Monat später abgegangen war, unterwegs sei, und da es zu lange gedauert hätte, seine Ankunft in Thursday Island zu erwarten, mußte das kleine Heer wieder abziehen und vier Wochen später wiederkommen.

Thursday Island ist durch Kabel mit Paterson am Kap York und dieses über Land mit Cooktown und somit weiterhin mit Brisbane und Sydney, Melbourne und Adelaide verbunden. Von Adelaide führt der berühmte »Overland Telegraph«, ein bewunderungswürdiges Werk australischer Energie und Opferwilligkeit, quer durch das dürre, wüstenhafte Innere des Erdteils hindurch nach Port Darwin und von da durch Kabel über Java und Indien nach England. Ein Telegramm von Thursday Island nach Europa hat also -- wenigstens war das so zur Zeit meiner dortigen Anwesenheit - die ganze Länge des Erdteils von Nord nach Süd und dann wieder von Süd nach Nord zu durchmessen, ehe es Australien verlassen kann. Könnte man direkt von Cooktown nach Port Darwin depeschieren, so würde der größte Teil des Umweges erspart werden. Vielleicht ist mittlerweile diese wichtige Verbindung schon hergestellt worden. Während meiner Reise habe ich ein einziges Mal ein Telegramm nach Europa gesandt, und zwar am 18. Juni 1892 von Cooktown nach Berlin. Es bestand aus sechs Worten und kostete 60 Mark. Das ermutigte nicht zu einer Wiederholung.

Die Vegetation Thursday Islands trägt überwiegend australischen Charakter, da der lichte Eukalyptuswald vorherrscht. Der Gipfel des einen Hügels ist aber von einem dichteren Wald von mehr tropischem Charakter bedeckt, und hier hielt ich ziemlich reichliche Ernte an Käfern, Schmetterlingen, Spinnen und anderen Landtieren. Besonders auffallend war der Reichtum an Feld- und Baumwanzen, teilweise prachtvoll gefärbten und schön gezeichneten Arten, die manche Büsche förmlich bedeckten. Überhaupt bilden die auf Pflanzen lebenden Wanzen in den Tropen ein viel mehr ins Auge fallendes Element der Fauna als bei uns und gereichen der Landschaft direkt zum Schmuck, wenn die von ihnen besetzten Büsche wie mit roten Blüten übersät erscheinen.

Landsäugetiere habe ich auf keiner der Inseln gefunden und muß annehmen, daß sie ganz oder nahezu ganz fehlen. Daß sich Känguruhs und andere größere Beuteltiere auf diesen winzigen Inseln


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003