Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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328 Thursday Island und die Torresstraße.

bedeckt. Sie erwiesen sich sämtlich als Eier von Chelone imbricata; die Brütezeit für Chelone mydas war schon vorüber. Die Zahl der Eier in jedem Gelege schwankte von 100 bis 200. Zwei Nester waren ganz frisch und enthielten sehr junge Keime, die beiden anderen enthielten Eier mit Embryonen, die etwa Hühnerembryonen vom vierten bis fünften Brütungstag entsprechen würden. Von einem Teil der eben erst gelegten Eier machten wir uns gleich ein Frühstück, und Wilson und die beiden Matrosen, die inzwischen auch ans Land gekommen waren, verschlangen große Mengen, während ich mich mit drei der wallnußgroßen, runden Eier begnügte. Der Geschmack ist eigenartig und recht gut, aber etwas voll oder »rich«, wie die Engländer das treffend ausdrücken, so daß mir der Genuß bald widerstand. Kein noch so langes Kochen bringt Dotter und die umhüllende Eiweißschicht zum Gerinnen. Ich füllte einige Kisten mit den ausgegrabenen Eiern, die ich sorgfältig in Sand verpackte, und nahm sie mit nach Thursday Island. Nur die älteren Stadien vertrugen aber den Transport und entwickelten sich weiter. Die jungen Stadien vor Bildung der Embryonalhülle, die als Amnion oder Schafhaut bezeichnet wird, gingen sämtlich zu Grunde. Der Keim ist vor Bildung des Amnions weniger geschützt und wird durch alle Erschütterungen, die das Ei treffen, zerstört und getötet. Die Schale ist anfangs pergamentartig weich. Wenn die Eier älter werden, wird sie durch Eintrocknen steifer und härter.

Gegen 10 Uhr verließen wir Strait Island und besuchten die benachbarten Double Islands, zwei dicht beisammen gelegene, von einem einheitlichen Riff umsäumte Inseln. Wir trafen hier einen einsamen Schwarzen, der von einem »Manilamann« auf den Inseln stationiert worden war, um für ihn Exemplare der Karettschildkröten zu erbeuten, die etwa die Inseln zum Eierlegen besuchen sollten. Der arme Bursche saß schon seit über einem Monat dort, hatte noch nichts gefangen und hatte fast keine Vorräte mehr. Er zeigte mir ein Nest von Chelone mydas, aus dem die Jungen vor einem Tage ausgekrochen waren, und schenkte mir drei lebende Tierchen, die er zu seiner Unterhaltung in ein kleines Gefäß gesperrt hatte. Von dem Nest bis zum Meer sah man überall die Spuren der kleinen Schildkröten, die sofort nach dem Ausschlüpfen dem feuchten Element zugestrebt hatten. Ein solcher Zug soll sehr drollig aussehen. Oft wird er gleich beim Verlassen des Landes von einer Schar kleiner Haifische empfangen, die tüchtig unter den anfangs noch weichschaligen Tierchen aufräumen. Dieselben sind zu dieser Zeit noch nicht größer als unsere Sumpfschildkröten.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003