Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Suppen- und Karettschildkröte. 325

Das Fleisch habe ich selbst nicht gegessen; einige Weiße rühmen es und vergleichen es mit dem Kalbfleisch, andere erklären es für unangenehm süßlich. Den Eingeborenen der Torresstraße gilt es als Leckerbissen.

Ähnlich wie der Dugong wird auch die riesige, in der Torresstraße und an der Küste von Neu-Guinea recht häufige Suppenschildkröte, Chelone mydas, von den Eingeborenen harpuniert und mit Tauen umwickelt, indem ein Mann dem verwundeten Tiere nachtaucht. Besonders leicht ist es, sich auch diesen Tieren in der Paarungszeit, die vom Oktober bis in den Februar hin dauert, zu nähern. Gute Taucher springen dann dem schwerfälligen Reptil einfach auf den Rücken, suchen es, ehe es noch tauchen kann, umzudrehen und mit einem Tau zu umschlingen. Auch eine dritte, höchst merkwürdige Fangmethode wird in der Torresstraße häufig angewendet.

Bei ruhigem Wetter und stiller See vermag das scharfe Auge der Eingeborenen die Schildkröten in der Tiefe auf dem Meeresgrunde, in der Nähe der Küsten und Riffe, zu entdecken. Ein Schiffhalter, Echeneis, an dessen Schwanzflosse man eine lange Leine befestigt hat, wird nun über der Schildkröte ins Wasser gesetzt und unweigerlich taucht der Fisch in die Tiefe und setzt sich an den Panzer des unten ruhenden Kolosses an. Auf diese Weise ist eine Leitung zwischen dem Boot und der Schildkröte hergestellt. Ein Eingeborener folgt tauchend der Leitung und seilt das Tier unten an. Der Sauger selbst sitzt doch nicht fest genug an dem Panzer, um an ihm die schwere Last heraufzuziehen.

Endlich fängt man die Tiere noch auf dem festen Lande, wenn sie kommen, um ihre Eier abzulegen und in dem Sande des Strandes zu vergraben. Dies ist die Hauptfangmethode für die kleinere, beweglichere Karettschildkröte, Chelone imbricata, die das echte Schildpatt liefert, während ihr Fleisch kaum genießbar ist. Sie ernährt sich von animalischer Kost und ist ein Raubtier, während ihre wohlschmeckende Gattungsgenossin Vegetarianer ist. In der Torresstraße ist sie viel seltener als letztere. Doch kann man auch sie an schönen stillen Tagen nicht selten im Meere beobachten, wie sie mit großem Geräusch an die Oberfläche des Meeres kommt, laut Atem holt und wieder verschwindet.

Im Osten der Prince of Wales-Gruppe befinden sich eine Anzahl kleinerer Inseln, auf denen, wie ich hörte, beide Schildkrötenarten mit Vorliebe ihre Eier ablegen. Für Chelone mydas war es schon etwas spät im Jahre (Mitte März). Von Chelone imbricata durfte


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003