Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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322 Thursday Island und die Torresstraße.

Fische nähren sich von den Brocken, die von der Tafel der Schiffe für sie abfällt, und erschnappen wohl auch im Vorbeifahren auf eigne Rechnung eine kleinere Beute, denn sie sind durchaus keine so schlechten Schwimmer, wie behauptet wird. Das bewies die Gewandtheit, mit der sie die Brocken auffingen und sich sogleich wieder an mein rasch segelndes Boot ansetzten. Das Anheften an größere Wassertiere, wie Haifische und Schildkröten, geschieht vielleicht auch deshalb, um in dem Kot dieser Tiere nach Nahrungsresten zu suchen. Auf dem, mit grobem Sande bedeckten Grunde zwischen Prince of Wales und Friday Island fing ich in der Dredge eine Anzahl Epigonichthys (Amphioxus) cultellus, eine Species des berühmten Lanzettfisches Amphioxus, die einige interessante Besonderheiten zeigt. Amphioxus ist bekanntlich das primitivste Wirbeltier oder richtiger Chorda-Tier, denn bis zur Ausbildung einer eigentlichen Wirbelsäule ist es bei ihm noch gar nicht gekommen. Er wird mit Recht von den meisten Forschern als der einzige lebende Vertreter jener Stammgruppe der Wirbeltiere betrachtet, die die viel höher organisierten Fische mit den nächstverwandten niederen Tieren, den Manteltieren oder Tunikaten verknüpft.

Das Dredgen in der Torresstraße war ebenso schwierig wie unergiebig. In dem Korallengrund saß die Dredge alle Augenblicke fest und konnte nur mit großer Mühe wieder klar gemacht werden; der Sandboden andrerseits war auf große Strecken aller lebenden Tiere bar und enthielt nur zertrümmerte Muschelschalen und leere Schneckengehäuse. Dies waren Stellen, wo die starken Strömungen den Sand auf- und abrollten und die Ansiedlung der Tiere auf dem Grunde verhinderten. Nur hier und da fand ich Bezirke, die mit Grundbewohnern reichlich bevölkert waren. Die reiche Fauna des Flachwassers an den Riffen werde ich ausführlicher schildern, wenn ich an die Beschreibung meines Aufenthalts auf der Insel Ambon komme. Thursday Island war in dieser Beziehung besonders durch die zahlreichen und schönen Weichkorallen ausgezeichnet, die neben den riffbildenden Steinkorallen überall ein üppiges Wachstum zeigten.

So lästig es war, oft stundenlang auf die Umkehr der Gezeitenströme warten zu müssen und untätig zwischen den Inseln vor Anker zu liegen, bis das Landen an einer günstigen Stelle oder die Überwindung einer schwierigen Durchfahrt möglich war, gab es mir doch zuweilen Gelegenheit zu interessanten Beobachtungen. Ungemein häufig sind in der Torresstraße die plumpen, 3—5 Meter langen Dugongs oder Seekühe, Halicore dugong. Sie gehören, zusammen mit dem Lamantin (Manatus), der die afrikanischen und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003